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Wie die DSW-Aufsichtsratsstudie 2020, zeigt, gibt es bei der Zusammensetzung der Aufsichtsräte in den DAX30- und M-DAX-Unternehmen weiterhin Luft nach oben. So hat eine Untersuchung der Dauer der Zugehörigkeit zum Aufsichtsrat ergeben, dass sich im DAX 30 auf der Anteilseignerseite 54 Prozent der Aufsichtsräte in ihrer ersten und 24 Prozent in der zweiten Amtsperiode befinden.

Bei der in Deutschland (noch) üblichen Bestellung von Aufsichtsräten für einen Zeitraum von fünf Jahren bedeutet das, dass eine Mehrheit der Aufsichtsräte gemäß einem von mehreren Indikatoren im Deutschen Corporate Governance Kodex als „unabhängig“ eingestuft werden kann. Der Kodex nennt hier als Grenze eine Zugehörigkeit zum Aufsichtsrat von mehr als zwölf Jahren. Immerhin sitzen jedoch 53 Vertreter der Anteilseigner seit drei oder mehr Amtsperioden im Aufsichtsratsgremium und erfüllen damit nicht mehr dieses Unabhängigkeitskriterium. Insbesondere beim Aufsichtsratsvorsitzenden sollte eine angemessene Altersgrenze und eine Begrenzung der Amtsperioden, wie vom Kodex empfohlen, für einen regelmäßigen Wechsel sorgen. Eine lange Zugehörigkeitsdauer ist aber nicht automatisch ein Nachteil. Langjährige Erfahrung durch die Zugehörigkeit zu einem Gremium kann durchaus einen positiven Beitrag leisten. Die Mischung ist letztlich entscheidend. Insofern ist es wichtig, dass im Aufsichtsrat eine hinreichende Zahl unabhängiger Mitglieder vertreten ist, damit eine Kontrolle sichergestellt werden kann, die sich ausschließlich am Unternehmensinteresse orientiert.

Auch bei der Entwicklung des Frauenanteils in den Aufsichtsräten der DAX 30-Unternehmen ist noch Luft nach oben. Zwar erfüllen alle 29 untersuchten DAX 30-Gesellschaften (Linde wurde wegen des One-Tier-Boards von der DSW nicht berücksichtigt) die gesetzliche Quote von 30 Prozent, aber der Frauenanteil steigt seit einigen Jahren jenseits der gesetzlichen Quote kaum noch an. Und auch in den Ausschüssen sind Frauen immer noch deutlich unterrepräsentiert und haben damit geringeren Einfluss im Aufsichtsrat. Nicht nur bei der Besetzung des Aufsichtsrats, sondern auch im Vorstand hinkt Deutschland weiterhin hinterher. Eine Auswertung der EU-Staaten zeigt, dass Deutschland beim Frauenanteil im Vorstand aktuell auf Platz 24 von 27 steht. Es ist zu erwarten, dass auch institutionelle Investoren unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit (ESG) den Druck auf die deutschen Aufsichtsräte auch bezüglich der Vorstandsbesetzung erhöhen werden. Und dies unabhängig davon, ob noch in dieser Legislaturperiode das zweite Führungspositionengesetz (FüPoG II) kommt oder nicht. Der jüngst erzielte Koalitionskompromiss ist sicherlich nicht der Weisheit letzter Schluss, zumal er insgesamt nur für rund 70 Unternehmen zum Tragen kommt und es bei etwa nur 30 Unternehmen Handlungsbedarf gibt. Immerhin werden nach einer aktuellen Auswertung von EY die Vorstandsfrauen im DAX 30 seit vier Jahren durchschnittlich besser bezahlt als ihre männlichen Kollegen!

Im übrigen hat die DSW auch erneut angemahnt, dass die Unternehmen ihren Aktionären die Zusammensetzung des Aufsichtsrats über ein zu veröffentlichendes Kompetenzprofil in einem Soll-/Ist-Vergleich darstellen. Nur so seien die Aktionäre in der Lage nachzuvollziehen, ob die für das Unternehmen erforderlichen Erfahrungen und Kompetenzen sowie Branchenkenntnisse im Aufsichtsrat in ausreichendem Maße vorhanden sind. Auch hier ist zu erwarten, dass die institutionellen Investoren den Druck auf die Unternehmen verstärken werden, um noch mehr Transparenz bei den Kompetenzprofilen zu erhalten.

Zum Autor:

Dr. Klaus Weigel ist seit 2007 Geschäftsführender Gesellschafter der Board Xperts GmbH, Frankfurt am Main. Die Board Xperts GmbH ist spezialisiert auf die Vermittlung qualifizierter Aufsichtsräte und Beiräte. Dr. Weigel war 25 Jahre im Corporate-Finance- und Private-Equity-Geschäft in leitender Funktion und als Mitglied in Beiräten und Aufsichtsräten tätig. Er ist zugleich Mitgründer und Vorstandsmitglied der Vereinigung Aufsichtsräte Mittelstand in Deutschland e.V. (ArMiD).

E-Mail: klaus.weigel@board-experts.de