Das HV Magazin im Gespräch mit Dr. Klaus Weigel, Geschäftsführender Gesellschafter, WP Board & Finance GmbH. INTERVIEW VERENA WENZELIS
WP Board & Finance hat sich seit 2006 auf die Personalsuche für Beiräte und Aufsichtsräte in familiengeführten und kapitalmarktorientierten Unternehmen spezialisiert. Im Interview spricht Dr. Weigel über das Verhältnis von Beiräten zu Aufsichtsräten und warum auch börsennotierte Unternehmen von mehr Transparenz bei der Aufsichtsratsbesetzung profitieren können.
HV-PRAXISHV Magazin: Herr Dr. Weigel, was spricht für die Einrichtung eines Beirates, der ja – anders als der gesetzlich vorgeschriebene Aufsichtsrat bei Aktiengesellschaften – auf rein freiwilliger Basis entsteht?
Dr. Klaus Weigel: Im Vordergrund steht immer zusätzliches Know-how, und zwar nicht durch Erweiterung der Geschäftsführung, sondern durch externe Personen, die als unabhängige Gesprächs und Sparringspartner zur Verfügung stehen. Wenn ich einen mittelständischen Unternehmer frage, wo er in den nächsten Jahren die größten Herausforderungen für sein Unternehmen sieht, kommen Antworten wie Internationalisierung, Produktinnovation, Finanzierung, Nachfolgeregelung, Wettbewerbsdruck usw. Wenn ich dann weiter nachhake und frage, wer diese Bereiche in einem eventuell bereits bestehenden Gremium abdeckt, ergeben sich in der Regel sehr schnell weiße Flecken.
HV Magazin: Wodurch zeichnet sich die Arbeit eines guten Beirats aus?
Weigel: Es gibt Beiräte, die fast so wie ein aktienrechtlicher Aufsichtsrat funktionieren, also mit einem Katalog zustimmungspflichtiger Geschäfte und als wirkliches Entscheidungsgremium. Und es gibt Beiräte, die sich einmal im Jahrtreffen und vor allem in allgemeiner Form austauschen. Das ist nicht unser Ansatz. Unser Feld ist die klare Fokussierung auf Experten, die den Unternehmen einen klaren Mehrwert bringen und aktive Mitwirkung auch zur Bedingung machen. So gesehen kommt unser Bild eines Beirats sehr nah an das eines aktienrechtlichen Aufsichtsrates heran und ist ähnlich zeitintensiv. Beiratsmitglieder sollten ihre Mandate deshalb auf ein sinnvolles Maß beschränken – eine Diskussion, die immer wieder zu Änderungen der entsprechenden Vorschriften geführt hat.
HV Magazin: Wie meinen Sie das?
Weigel: Es bleibt zu hinterfragen, ob jemand, der in drei oder vier DAX-Konzernen Aufsichtsratsmitglied oder gar vorsitzender ist, die zeitliche Kapazität für diese Aufgabe – neben einer operativen Tätigkeit – mitbringt. Herr Achleitner z.B. hat ja ganz bewusst seine operative Tätigkeit bei der Allianz beendet, bevor er den Aufsichtsratsvorsitzbei der Deutschen Bank antrat. Sicherlich spielten hier auch wettbewerbsrelevante Themen eine Rolle, aber auch der Faktor Zeit. Ich glaube, dass wir in den kommenden Jahren zu einem neuen Berufsbild, dem Berufsaufsichtsrat, kommen werden, also Personen, die mit Anfang fünfzig bewusst ihre operative Tätigkeit aufgeben, um dann mehrere Mandate in Aktiengesellschaften und Familienunternehmen zu übernehmen.
HV Magazin: Wobei diese Personen von den Vergütungen dann wohl kaum ihren bisherigen Lebensstandard halten könnten, oder?
Weigel: Stimmt, die Tätigkeit eines Aufsichtsrates sollte auch entsprechend vergütet und anerkannt werden. In DAX-Unternehmen liegt die Vergütung eines einfachen Aufsichtsratsmitglieds im Schnitt bei über 100.000 EUR im Jahr. Bei MDAX- und SDAX-Unternehmen, die den gleichen aktienrechtlichen Regelungen unterliegen, finden Sie Unternehmen, die ihren Aufsichtsräten gerade mal 20.000 EUR zahlen. Dieser Betrag steht jedoch in keinerlei Verhältnis zum zeitlichen Aufwand und möglichen Haftungsrisiko, von den Risiken für die persönliche Reputation ganz zu schweigen.
HV Magazin: Geht den Unternehmen durch diese Knauserigkeit einiges verloren?
Weigel: Ich habe in meiner täglichen Vermittlungspraxis immer wieder Personen, die wegen einer zu niedrigen Vergütung Mandate ablehnen. Vergütung ist immer eine Art von Wertschätzung, aber auch eine Aufforderung an die jeweilige Person, entsprechend gute Arbeit zu leisten. Ein qualitativ gut besetzter Aufsichtsrat bringt einem Unternehmen deutliche Vorteile, was z.B. Private-Equity-Gesellschaften bestätigen: Von ihnen höre ich immer wieder, dass die Wertsteigerung durcheinen guten Aufsichtsrat oder Beirat so extrem hoch sei, dass die Bezahlung des Aufsichtsrats oder Beirats am Ende fast keine Rolle mehr spiele.
HV Magazin: Müsste sich dann nicht auch das gesellschaftliche Bild des Aufsichtsrates ändern?
Weigel: Auf jeden Fall. Man müsste anerkennen, welche wichtige Arbeit eigentlich hinter dieser Tätigkeit steckt. Wiegesagt, der erste Schritt wäre zu überlegen, was ich von einem Aufsichtsrat erwarte, wer welche Qualifikation mitbringt und was ich bereit bin, dafür zu zahlen.
HV Magazin: Gleichzeitig fordern Sie indem von Ihnen mitgegründeten Verband Aufsichtsräte Mittelstand in Deutschland e.V. (ArMiD) mehr Transparenz bei der Wahl des Aufsichtsrates. Welche Probleme sehen Sie aktuell?
Weigel: Aktionäre sollten grundsätzlich mehr Informationen darüber bekommen, warum bestimmte Personen zur Wahl in den Aufsichtsrat vorgeschlagen werden und welches Know-how diese mitbringen. Das Aktiengesetz schreibt momentan nur vor, dass in der Tagesordnung drei Angaben gemacht werden müssen: der Name, der Wohnort und der Beruf. Diese Informationen erhalten Aktionäre etwa sechs Wochen vor der Hauptversammlung, die sie häufig selbst nicht besuchen können. Sie haben also keine Chance, sich ein entsprechendes Bild von der Person zu machen, müssen aber dennoch ein Votum abgeben.
HV Magazin: Was sollte sich ändern?
Weigel: Warum nicht eine Art Kurz-CV auf der Website des Unternehmens einstellen mit Informationen zu den beruflichen Stationen der betreffenden Person? Große Unternehmen machen das bereits, aber beileibe noch nicht einmal alle DAX-Unternehmen. Eine weitere Möglichkeit wäre ein schriftlicher Bericht des Aufsichtsrates an die Hauptversammlung, in dem der Auswahlprozess und die Gründe für den Wahlvorschlag beschrieben werden.
HV Magazin: Auf welche Resonanz stoßen Sie mit dieser Idee?
Weigel: Verständnis für dieses Themabesteht durchaus. Gelegentlich wird mit Datenschutzgründen argumentiert. Vielleicht sollte die Idee zunächst als Soll-Vorstellung in den Corporate Governance Kodex aufgenommen werden, bevor daraus eine aktienrechtliche Vorschrift entsteht. Im jüngsten Grünbuch der Europäischen Kommission für Corporate Governance ist Transparenzbei der Besetzung von Aufsichtsräten auch eindeutig thematisiert. Wir brauchen diese Diskussion, um von der Besetzungskungelei wegzukommen. Es gibt Unternehmen, wo der Vorstandsich „seinen“ Aufsichtsrat aussucht und damit die Funktion des Aufsichtsratesauf den Kopf gestellt wird. Es muss mehr Qualität und Unabhängigkeit in die Aufsichtsräte und mehr Transparenz in den Besetzungsprozess.
HV Magazin: Ein Schritt in diese Richtung ist das Bilanzmodernisierungsgesetz(BilMoG) von 2009, das „wirkliche“ Finanzexperten im Aufsichtsrat von kapitalorientierten Unternehmen fordert. Wie sind Sie mit dessen Umsetzung zufrieden?
Weigel: 2014 läuft die dafür vorhergesehene Übergangsperiode ab. Die Realität in den Aufsichtsräten sieht jedoch oft komplett anders aus – eben weil der Gesetzgeber bislang keine genaue Definition dafür geliefert hat, was denn einen Finanzexperten ausmacht. Es gibt auch keine Instanz, die die Umsetzung kontrolliert. Eigentlich wäre das Aufgabe der Aktionäre. Auch der Aufsichtsrat könnte eine Umsetzung des Gesetzes einfordern, ist mit seiner Besetzung aber offensichtlich meistzufrieden. Man könnte diese Überwachung auch dem Abschlussprüfer übertragen. Die Regeln des BilMoG gelten übrigens auch für alle kapitalmarktorientierten Unternehmen, also auch für diejenigen, die z.B. eine Anleihe begeben haben.
HV Magazin: Würden Sie mehr staatliche Kontrolle einfordern?
Weigel: Ich glaube nicht, dass es mehrstaatliche Kontrolle braucht. Bei den Kreditinstituten, wo die BaFin jährlich mehrere Dutzend vorgeschlagene Aufsichtsräte wegen mangelnder Qualifikation ablehnt, ist es aufgrund der Systemrelevanz eine andere Situation. Letztlich ist es Aufgabe der Aktionäre, für entsprechende Expertise in den Aufsichtsräten zu sorgen. Dazu sollten sie sich aber auch aktiver als heute in den Prozess einbringen und die Wahlvorschläge in der Hauptversammlung qualitativ hinterfragen. Stattdessen werden die Wahlvorschläge oft mit sozialistischer Mehrheit durchgewunken.
HV Magazin: Herr Dr. Weigel, vielen Dank für das Gespräch!
Erschienen in: HV Magazin 02/2013