Wie jüngste Umfragen zeigen, hat inzwischen gut die Hälfte der Familienunternehmen einen (freiwilligen) Aufsichtsrat bzw. Beirat etabliert, Tendenz steigend. Immer häufiger werden diese Gremien auch qualifiziert besetzt, und es werden ihnen zudem weitreichende Kontroll- und Zustimmungskompetenzen übertragen. Trotz der Notwendigkeit zusätzliche zeitliche und finanzielle Ressourcen für einen Beirat bereitzustellen, wird seitens der befragten Unternehmer ein überaus positives Fazit über den Zusatznutzen gezogen.
Mit der zunehmenden Einrichtung von Beiräten und der Ausweitung ihrer Kompetenzen müssen aber auch die Voraussetzungen für eine effektive Beiratsarbeit geleistet werden. Es sind dies insbesondere die Schaffung klarer Strukturen, z. B. bezüglich des Einflusses der Gesellschafter auf das Unternehmen, die Gewinnung qualifizierter Persönlichkeiten als aktive Beiratsmitglieder sowie die Gewährleistung einer professionellen Arbeitsweise innerhalb des Beiratsgremiums. Hierzu im Folgenden einige Anregungen für die praktische Umsetzung.
Bei der Einrichtung eines Beirats wird oft zunächst nur den strukturellen Aspekten Aufmerksamkeit gewidmet. Dazu zählt etwa die Einbindung des Beirats in die Führungsstrukturen des Unternehmens und die Festlegung der richtigen Größe und der formalen Kompetenzen. Diese „äußeren“ Faktoren sollten auch möglichst präzise festgelegt werden. Zweifellos stellen sie die Rahmenbedingungen für eine gute Beiratsarbeit dar. Eine gute Struktur ist aber für sich genommen noch kein Erfolgsgarant. Vielmehr ist ein Beirat sehr individuell zu gestalten. Maßgeblich sind dafür vor allem die nachfolgenden „inneren“ Faktoren. Jeder Unternehmer sollte zunächst hinterfragen, von welchem Beratungs- oder Kontrollverständnis er ausgeht. Warum richtet er einen Beirat ein, und welche konkrete Rolle übernimmt das Gremium in seinem Unternehmen? Welchen wirklichen Nutzen verspricht er sich von seinem Beirat? Weiterhin sollte er sich klarmachen, dass seine Erwartungen nur erfüllt werden können, wenn dem Beirat auch die notwendigen Befugnisse und Rechte an die Hand gegeben werden, diese Aufgaben auch umzusetzen. Schließlich sollte er daraus die richtigen Schlüsse für die optimale Zusammensetzung und effektive Arbeitsweise des Beirats ziehen.
Für all das gibt es keine allgemeingültigen Handlungsempfehlungen. Die individuellen Anforderungen sind genauso zahlreich wie die Gestaltungsmöglichkeiten. Aber es gibt wiederkehrende Erfolgsmerkmale, die einen guten Beirat auszeichnen. Folgende Regeln zur optimalen Gestaltung sollten bedacht werden, damit der Beirat seinen Beitrag zur zentralen leisten kann, nämlich der Zukunftssicherung des Unternehmens:
- Typische Anlässe für die Einrichtung eines Beirats sind immer wieder: divergierende Interessen im Gesellschafterkreis, die Einrichtung einer familienfremden Geschäftsführung, die ungelöste Unternehmensnachfolge, die aufkommende Sorge vor Betriebsblindheit, die mangelnde Fachkompetenz bei starkem unternehmerischen Wachstum oder auch der unvorhergesehene Notfall. In solchen Situationen ist der Beirat eine wesentliche Absicherung der Zukunft des Unternehmens und damit zugleich des unternehmerischen Vermögens.
- Erfahrungsgemäß vergehen ein bis eineinhalb Jahre, bis ein Beirat installiert und voll funktionsfähig ist. Daher sollte mit der Vorbereitung frühzeitig genug begonnen werden, um den erkennbaren Herausforderungen mittels eines eingearbeiteten Beirats entschlossen zu begegnen.
- Frühzeitig sollte das Für und Wider eines Beirats abgewogen und hinterfragt werden. Häufig wird offen die Sorge geäußert, ein Beirat würde eine unnötige Komplexität in Entscheidungsprozesse mit sich bringen. Verbirgt sich dahinter vielleicht die Sorge des Unternehmers vor dem eigenen Machtverlust? Ein Beirat bietet aber deshalb große Chancen, weil der Unternehmer einen kompetenten Sparringspartner erhält. So kann der Beirat zu einem strategischen Instrument entwickelt werden, um gerade auch strukturelle Defizite z. B. gegenüber größeren Wettbewerbern auszugleichen.
- Wichtig für den gewünschten Nutzen eines Beirats ist seine professionelle Zusammensetzung und eine hinreichende Zahl unabhängiger Mitglieder. Dabei sollte der Beirat eine gute Mischung aus unternehmerischen Persönlichkeiten, Erfahrungen und Fähigkeiten enthalten. Branchenkundige Experten können sich mit Personen, die Erfahrungen in anderen oder zukünftigen Märkten haben, sinnvoll ergänzen. Entscheidend ist der Nutzen, den Beiratsmitglieder aufgrund ihrer beruflichen Erfahrungen einbringen sollen. Dies können je nach Wunschprofil Finanzierungsfragen, Kompetenzen in den Bereichen Internationalisierung oder Restrukturierung oder z. B. auch die Begleitung von Innovationsprozessen sein.
- Der BGH verlangt in ständiger Rechtsprechung von Aufsichtsratsmitgliedern, dass sie die erforderlichen Mindestkenntnisse allgemeiner wirtschaftlicher, organisatorischer und rechtlicher Art besitzen, um die normalerweise anfallenden geschäftlichen Transaktionen ohne fremde Hilfe verstehen und sachgerecht einschätzen zu können. Dieser Mindestanspruch sollte auch für die Familienmitglieder in einem Beirat gelten. Externe Beiräte wiederum sollten nicht in einer geschäftlichen oder persönlichen Beziehung zum Unternehmen stehen. Der Vorsitzende des Beirats sollte darüber hinaus über eine langjährige Führungskompetenz und Beiratserfahrung in vergleichbaren Unternehmen verfügen. Außerdem hängt der Erfolg der Beiratsarbeit letztlich auch vom vertrauensvollen Zusammenwirken seiner Mitglieder ab.
- Für die Rekrutierung von Beiratsmitgliedern greifen Unternehmer noch immer überwiegend auf das eigene Umfeld zurück. Dabei sind dann „schädliche“ Interessenkonflikte und persönliche Verknüpfungen fast nicht zu vermeiden. Externe Persönlichkeiten mit der entsprechenden Kompetenz sollten daher durch die zusätzliche Inanspruchnahme professioneller Dienstleister gewonnen werden. Gute Beiratsmitglieder drängen sich im Übrigen nicht auf, sie wollen vielmehr „ausgewählt“ und gebeten werden. Bei ihnen steht auch die Beiratsvergütung nicht im Vordergrund. Gute Beiräte wollen aber ernst genommen werden, sie wollen sich mit ihren Ideen einbringen und mitgestalten. Dann ist die Höhe der Beiratsvergütung letztlich auch ein Zeichen der Wertschätzung ihrer Arbeit.
- Um Beiratssitzungen und -entscheidungen effizient zu gestalten, bedarf es professioneller Arbeitsstrukturen. In einer gut gestalteten Beiratsordnung müssen Mindestanforderungen an die Organisation von Sitzungen, Entscheidungsprozessen und sonstigen internen Abläufen festgelegt werden. Dies umfasst auch die Festlegung von Verantwortlichkeiten.
- Die Qualität der Arbeit eines Beirats zeigt sich erst in der Praxis. Deshalb dürfen auch nachträgliche Veränderungen der Zusammensetzung eines Beirats kein Tabu sein. Eine regelmäßige Überprüfung der Effizienz der Arbeit eines Beirats gehört heute in vielen Unternehmen bereits zum Standard. Gelegentlich sind es aber auch Veränderungen im Umfeld des Unternehmens, die eine Neuausrichtung der Beiratszusammensetzung erforderlich machen. Veränderungen der Gesellschafterstruktur, ausgeprägte Wachstumsphasen oder ein verstärkter internationaler Auftritt müssen sich auch in der Struktur des Beirats widerspiegeln. Dies gilt auch für die Kontrollaufgaben des Beirats, die sich in solchen Unternehmensphasen nachhaltig verändern können.
Ein qualifiziert besetzter Beirat in Familienunternehmen sollte als Chance und Potenzial angesehen werden. Richtig besetzt kann er als strategisches Instrument begriffen werden, um die Zukunft des Unternehmens zu sichern. Letztlich dient er auch dazu, unternehmerisches Vermögen zu erhalten und zu mehren. Ein guter Beirat weist eine fast unschlagbar günstige Kosten-Nutzen-Relation auf. Dies sollten sich Familienunternehmen gerade auch in der geschäftlichen Neuaufstellung nach der Covid19-Pandemie zunutze machen.
Zum Autor:
Dr. Klaus Weigel ist seit 2007 Geschäftsführender Gesellschafter der Board Xperts GmbH, Frankfurt am Main. Die Board Xperts GmbH ist spezialisiert auf die Vermittlung qualifizierter Aufsichtsräte und Beiräte. Dr. Weigel war 25 Jahre im Corporate-Finance- und Private-Equity-Geschäft in leitender Funktion und als Mitglied in Beiräten und Aufsichtsräten tätig. Er ist zugleich Mitgründer und Vorstandsmitglied der Vereinigung Aufsichtsräte Mittelstand in Deutschland e.V. (ArMiD).
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