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Die wichtigste Aufgabe von Aufsichtsräten (und vielen Beiräten) ist die Personalkompetenz. Es geht dabei um die Besetzung bzw. Abberufung von Vorstands- bzw. Geschäftsführungsmitgliedern, um die Ausgestaltung der Verträge und um die Verabschiedung einer Geschäftsordnung für das Leitungsgremium. Dabei hat der Aufsichtsrat vor allem immer wieder zu prüfen, ob die Anzahl der Vorstandsmitglieder, die personelle Zusammensetzung und die Performance der Personen den aktuellen und künftigen Herausforderungen des Unternehmens genügt. Bei der Personalauswahl hat er sich dabei stets und ausschließlich an den Interessen des Unternehmens zu orientieren.

Eine aktuelle Analyse der Managementberatung Horváth & Partners hat jetzt ergeben, dass bei mehr als der Hälfte der 160 größten börsennotierten Unternehmen in Deutschland, die 2020 ihren Vorstandsvorsitzenden neu besetzt haben, dies ungeplant erfolgte. Der mit Abstand häufigste Grund für den Wechsel waren strategische Differenzen zwischen dem Aufsichtsrat und dem Vorstandsvorsitzenden. Weitere Gründe für einen vorzeitigen Wechsel waren gesundheitliche Gründe bzw. bei zwei Unternehmen die Neubestellung aufgrund eines Unternehmenszusammenschlusses. Ungeplante Vorstandswechsel, zumal an der Spitze des Gremiums, haben stets eine große mediale Wirkung. Wenn die Trennung inhaltlich begründet wird, kann dies zu Vermutungen über eine unklare strategische Ausrichtung und damit zu einer negativen öffentlichen Meinung über das Unternehmen führen. Halten die Unstimmigkeiten zwischen CEO und Aufsichtsrat hingegen länger an, kann das dem Unternehmen nachhaltig schaden. Insofern kann ein Wechsel letztlich neue Wege ermöglichen.

Für die Neubesetzung der CEO-Position wurden im vergangenen Jahr vonseiten der entsprechenden Aufsichtsgremien in fast der Hälfte der Fälle Personen außerhalb des Unternehmens geholt. Das ist insbesondere dann zu empfehlen, wenn neben der fachlichen Eignung und der internen Akzeptanz auch grundlegende Veränderungen und frische Impulse für die aktuellen Herausforderungen des Unternehmens erforderlich sind. Rund zwei Drittel der 2020 neu bestellten Vorstandsvorsitzenden hatten zuvor bereits die Gesamt- bzw. Teilverantwortung für ein Unternehmen inne, sei es als CEO, Co-CEO oder Bereichs- bzw. Regionalvorstand. In etwa einem Drittel der Fälle erfolgte der Aufstieg aus einer funktionalen Verantwortung.

Bemerkenswert ist auch die Tatsache, dass vermehrt auf Personen aus dem Aufsichtsrat als Ersatz-, Übergangs- oder Nachfolgekandidaten zurückgegriffen wird. Der Aufsichtsrat sollte aber nicht zur „Reservebank“ für Führungskräfte werden. Diese ursprünglich vom Gesetzgeber für eine Notsituation eingeführte Regelung sollte eine absolute Ausnahme bleiben. Es ist eine zentrale Aufgabenstellung der Aufsichtsräte für eine nachhaltige und zukunftsgerichtete Förderung von qualifizierten Führungskräften Sorge zu tragen. Ein Wechsel im Management ist nämlich kein „schwarzer Schwan“, zumal die durchschnittliche Verweildauer im Vorstand seit Jahren sinkt.

Zum Autor:

Dr. Klaus Weigel ist seit 2007 Geschäftsführender Gesellschafter der Board Xperts GmbH, Frankfurt am Main. Die Board Xperts GmbH ist spezialisiert auf die Vermittlung qualifizierter Aufsichtsräte und Beiräte. Dr. Weigel war 25 Jahre im Corporate-Finance- und Private-Equity-Geschäft in leitender Funktion und als Mitglied in Beiräten und Aufsichtsräten tätig. Er ist zugleich Mitgründer und Vorstandsmitglied der Vereinigung Aufsichtsräte Mittelstand in Deutschland e.V. (ArMiD).

E-Mail: klaus.weigel@board-experts.de