Qualifizierte Auswahl von Beiräten – Dr. Klaus Weigel
Vor einigen Monaten rief mich auf persönliche Empfehlung der geschäftsführende Gesellschafter eines Familienunternehmens an, das langlebige Konsumgüter herstellt und gut 100 Mio. Euro Umsatz macht. Im Rahmen des Generationswechsels hatte er vor kurzem sämtliche Anteile einschließlich der Stimmrechte übernommen und bat um Unterstützung, da er den Beirat neu formieren wollte, dessen Mitglieder noch sein Vater vor Jahren gesucht und gefunden hatte. Als Nachfolger wollte er das Gremium nun mit Persönlichkeiten besetzen, die seinen eigenen Vorstellungen entsprachen. Solche Wünsche münden in klassische Anfangsüberlegungen ein, die zur professionellen Strukturierung eines Beirats anzustellen sind.
An erster Stelle sollten nie Personen und Namen stehen, die einem in diesem Kontext spontan einfallen, sondern zunächst geht es um Elementares: Wie sehen die konkreten Erwartungen an den Beirat aus und welche Rolle soll ihm im Zusammenspiel mit den Gesellschaftern und der Geschäftsführung des Unternehmens zukommen? Welchen konkreten Beitrag zur Zukunft des Unternehmens sollen seine Mitglieder dank ihres beruflichen und persönlichen Hintergrunds sowie ihrer beruflichen und persönlichen Expertise leisten? Gibt es aufgrund der Besonderheiten der Firma (»Governance«-Struktur) Personen aus ihrem Umfeld, die wirklich »gesetzt« sind (Gesellschafter oder ihre Repräsentanten, Vertreter von Kapitalgebern)?
Diese Gedanken sollten schriftlich fixiert werden, damit alle Beteiligten später dieselbe Entscheidungsbasis haben. Die Besetzung eines Beirats ist also geordnet zu planen bevor die Ausschau nach guten Kandidaten und ihre (diskrete) Ansprache beginnt. Insofern ist die Größe des Gremiums festzulegen. Zudem sind die Kompetenzen zu definieren und die idealen Anforderungsprofile für seine (externen) Mitglieder. Nicht zu vergessen ist, die Vertrauten zu benennen, die in die Auswahl der Beiratsmitglieder involviert sein sollen. Diesbezüglich ist im Sinne des »Deutschen Corporate Governance Kodex« die Einrichtung eines Nominierungsausschusses zu empfehlen.
Hinsichtlich der Größe des Gremiums orientieren sich die praktischen Erwägungen an bewährten Vorgaben. Beiräte sollten in jeder Beziehung zum Unternehmen passen, wobei es vor allem um dessen Dimension und Komplexität gehen wird. Häufig werden Beiräte auch mit drei oder fünf Mitgliedern besetzt, um Patt-Situationen zu vermeiden. Sollen die Mitglieder externen Sachverstand einbringen, müssen sie möglichst viele Impulse und Ideen zur weiteren Unternehmensentwicklung implementieren können. Daher ist die Etablierung eines Beirats nur ratsam, wenn er seine Rolle qualifizierter und besser ausfüllen kann als das originär verantwortliche Gesellschaftsorgan.
Damit aber wird die Besetzung des Beirats zum entscheidenden Faktor für seinen Erfolg. Mit dieser Thematik verbindet sich zudem eine Weichenstellung im Unternehmen: Die Einrichtung eines respektablen, respektierten Beirats setzt die erklärte Bereitschaft der Gesellschafter voraus, ihr Unternehmen für die Mitwirkung Dritter an seiner Zukunft zu öffnen. Im Übrigen ist bei der Formulierung der Wunschprofile der Beiratsmitglieder der Lebenszyklus des Betriebs zu berücksichtigen. Je nach dem, in welcher Phase er sich befindet, sind spezifische Erfahrungen gefragt. »Start ups« brauchen professionelle Strukturen, Maß nahmen zur Sicherung der Liquidität sowie Zugang zu adäquaten Finanzierungsquellen. Oft ist auch die starke Abhängigkeit vom Gründer zu hinterfragen, um sie gegebenenfalls nach und nach zu reduzieren. Demgegenüber ist die Wachstumsphase von der Produktpalette, von Kundengruppen und Marktsegmenten bis hin zu geographischen Schwerpunkten geprägt. Reife Unternehmen stoßen häufig neue Wachstumsfelder und neue Wachstumsprodukte an. Bei alledem dürfen auch spätere Neuberufungen eines Beirats kein Tabu sein. Veränderungen im Umfeld der Firma erfordern bisweilen die Auffrischung. Wechsel der Anteilseigner, Expansionen oder eine strategische Internationalisierung sollten sich folglich in der Struktur der Mitglieder des Beirats zeigen.
Im eingangs zitierten Fall haben wir die ursprünglich von meinem Gesprächspartner erstellte Liste ihm geeignet erscheinender Kandidaten nach längerer Erörterung gemeinsam verworfen. Statt der erst favorisierten branchenbekannten Persönlichkeiten, die alle als Mitbewerber, Lieferanten oder Kunden aktiv sind oder waren, haben wir schließlich zwei Unternehmer gewonnen, die zwar auch aus dem Bereich langlebiger Konsumgüter kamen, aber nicht aus konkurrierenden Segmenten. Der eine hatte seinen Betrieb selbst einmal im Zuge einer Nachfolge erworben. Der andere hatte einen auf den heimischen Markt fixierten Anbieter rasch zu einem internationalen »Player« geformt und damit Branchenmaßstäbe gesetzt. Als drittes externes Mitglied haben wir einen Finanzfachmann empfohlen, der dem CFO als wichtiger Sparringspartner dient.
Den drei externen Beiräten stehen zwei Gesellschafter zur Seite. Alles in allem hat die Einschaltung des Beraters die Kandidatenkür um relevante Namen erweitert, die nicht aus dem Umfeld des Unternehmens kamen und authentische, u n vor eingenommene Gedanken einbringen. Der Unternehmer spricht heute davon, sein Beirat habe dank der drei externen Mitglieder qualitativ eine wesentliche Verbesserung erfahren.
Dr. Klaus Weigel, Geschäftsführender Gesellschafter WP Board & Finance GmbH, Bad Homburg v. d. Höhe
Erschienen in: Unternehmermagazin, 4/5 2011