Unabhängige Finanzexpertise im Beirat
Das Unwort »Kreditklemme« geistert schon wieder durch die Medien. Eine aktuelle Befragung der Europäischen Zentralbank (EZB)zeigt, dass viele Banken im Euroraum ihre Bedingungen für die Kreditvergabe an Unternehmen und private Haushalte erneut verschärfen.
Gründe sind die Verschlechterung des wirtschaftlichen Umfelds, die Staatsschuldenkrise und die strengeren Eigenkapitalanforderungen an die Banken. Die Zurückhaltung der Kreditinstitute drückt sich in härteren Bonitätskriterien, aber auch in höheren Zinsmargen aus.
Auch wenn das Bankenumfeld in Deutschland günstiger als in den meisten EU-Mitgliedsländern ist, sollten sich die KMU, die den organisierten Kapitalmarkt noch nicht beanspruchen, mit alternativen Finanzierungen befassen. Die Palette ist hier breiter geworden. Neben Leasing, Factoring, Mezzanine- und Beteiligungskapital kamen Schuldscheindarlehen und Mittelstandsanleihen hinzu. Mit diesen Instrumenten können sich mehr Firmen als früher das nötige (langfristige)Fremdkapital für neue Investitionen direkt bei Investoren beschaffen und so unabhängiger von ihrer Hausbankbeziehung werden.
Familienunternehmen, die sich strategisch mit ihrer Finanzierungsstrukturauseinandersetzen, ist zu empfehlen, einen unabhängigen Finanzexperten in den Beirat aufzunehmen, der mit seiner profunden Kenntnis alternativer Instrumente neue Handlungsspielräume eröffnen kann, die bislang mangels Know-how nicht in Betracht gezogen wurden. Das Beiratsmitglied kann den Unternehmer bzw. die Geschäftsleitung anspornen, sich mit neuen Finanzierungsformen zu befassen und die erforderlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen. Er ist in der Lage, die Vorteile und Nachteile aufzeigen, um Entscheidungen voranzubringen. Und er kann durch seine Marktkenntnisse den Kontakt zu Anbietern neuartiger Finanzierungsinstrumente herstellen. Darüber hin -aus dient er als Vertrauensperson und als Garant für den reibungslosen Ablauf des Finanzierungsprozesses. Sein Renommee eröffnet dem Unternehmen daher bei gegebenen Voraussetzungen interessanteneue Finanzierungsquellen. Immer mehr Betriebe berufen einen Beirat als freiwilliges Kontroll-und Aufsichtsorgan, also als Instrument guter Unternehmensführung (»Good Governance«), ein. Auch im familiengeführten Mittelstand wird sehr über die Qualifikation von Beiratsmitgliedern diskutiert. Die Professionalität des Gremiumssollte sich in einer guten Mischung unternehmerischer Persönlichkeiten, Erfahrungen und Fähigkeiten zeigen. Am besten ergänzen sich branchenkundige Experten mit Fachleuten anderer Provenienz.EntscheidendistderVorteildankderberuflichenProfilierung.
In kleineren und mittleren Familienunternehmen sind die Abteilungen Finanzen, Rechnungslegung und Controlling häufig weniger ausgebaut als die Produktentwicklung und die Technologie. Ein Finanzexperte, der etwa zuvor in einemgrößeren Unternehmen ein zukunftsorientiertes Finanz- und Rechnungswesen errichtet hat, stärktdasVertrauenkünftigerFinanzierungspartnerundschafftSpielräume.
Der Finanzfachmann im Beirat ist der Sparringspartner des CFO, aber auch eine Schnittstelle zum Wirtschaftsprüfer. Er sollte daher viel von Rechnungslegung und Risikomanagement verstehen, die modernen Finanzierungsinstrumente kennen und wissen, wo sie zubekommen sind. In kapitalmarktorientierten Unternehmen, die laut Bilanzmodernisierungsgesetz (BilMoG) einen Finanzexperten im Aufsichtsrat haben müssen, ist auch die Beherrschung der heutigen Finanzkommunikation wichtig. Insofern eignen sich ein routinierter Wirtschaftsprüfer oder ein (Ex-)CFO im Beirat, und zwar am besten aus einem in Struktur und Ausrichtung vergleichbaren Unternehmen.
Ein mit einem Finanzexperten qualifiziert besetzter Beirat sollte von Familienunternehmen als Chance betrachtet werden, da er insbesondere dann ein strategisches Instrument zur Zukunftssicherung ist, das dazu dient, Vermögen zu erhalten und zu mehren. Zudem hat ein guter Beirat eine fast unschlagbare Kosten-Nutzen-Relation.
Dr. Klaus Weigel, Geschäftsführender Gesellschafter WP Board & Finance, Bad Homburg v. d. Höhe
Erschienen in: Unternehmermagazin, 1/2-2013