Am 10. Dezember 2020 hat die Bundesregierung den Entwurf für ein Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (FISG) vorgelegt. Basis für diese Gesetzesinitiative ist der Aktionsplan des Bundesministeriums der Finanzen und des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vom 7. Oktober 2020 zur Bekämpfung von Bilanzbetrug und zur Stärkung der Kontrolle über Kapital- und Finanzmärkte, u. a. als Reaktion auf die Ereignisse bei Wirecard.
Künftig müssen alle Unternehmen von öffentlichem Interesse, das heißt unter anderem auch alle kapitalmarktorientierten Unternehmen, unabhängig von ihrer Größe und der Anzahl der Mitglieder des Aufsichtsrats, einen Prüfungsausschuss einrichten. Außerdem soll die Arbeit des Prüfungsausschusses dadurch verbessert werden, dass künftig in solchen Unternehmen mindestens eine Person über Sachkenntnisse auf dem Gebiet der Rechnungslegung und eine weitere auf dem Gebiet der Abschlussprüfung verfügen muss. Diese neuen Regelungen werden im Regierungsentwurf sinnvollerweise durch Vorschriften zur Verbesserung der Informationsrechte des Aufsichtsrats und Konkretisierung der Aufgaben des Prüfungsausschusses ergänzt. Weitere Änderungen betreffen die Abschlussprüfung, das Risikomanagement und interne Kontrollsysteme sowie Verschärfungen der Haftungsregelungen für die gesetzlichen Unternehmensvertreter.
Besetzung des Prüfungsausschusses
Für die praktische Umsetzung dieser im Regierungsentwurf vorgesehenen Verteilung der Finanzkompetenzen im Aufsichtsrat auf zwei Personen sowie der neuen gesetzlichen Verpflichtung für Unternehmen, im öffentlichen Interesse einen Prüfungsausschuss einzurichten, ergeben sich vor allem bei Aufsichtsräten mit der gesetzlichen Mindestgröße von drei Mitgliedern einige praktische Fragen. Gemäß den Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance Kodex soll der Vorsitzende des Prüfungsausschusses sowohl von der Gesellschaft als auch von einem kontrollierenden Aktionär unabhängig und nicht mit dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats identisch sein. Bei einer personenidentischen Besetzung von Gesamtaufsichtsrat und Prüfungsausschuss bei einem aus nur drei Personen bestehenden Aufsichtsrat könnte daher künftig als Ausnahmeregel noch die Möglichkeit eingeführt werden, dass der Gesamtaufsichtsrat zusätzliche Sitzungen abhält, die sich spezifisch mit den Aufgaben der Überwachung eines üblicherweise einzurichtenden Prüfungsausschusses befassen. Wenn künftig an zwei von drei Mitgliedern im Aufsichtsrat bestimmte Kompetenzanforderungen gestellt werden, schränkt dies außerdem den Spielraum für die Besetzung der dritten Position erheblich ein. Es dürfte künftig schwerer werden, eine Person zu finden, die Expertise etwa auf den Gebieten Strategie, Digitalisierung und Nachhaltigkeit einbringen kann, damit im Aufsichtsrat alle notwendigen Spezialkompetenzen vorhanden sind. Insofern könnte die sicherlich gewünschte stärkere Betonung der Finanzexpertise im Aufsichtsrat zu Lasten anderer wichtiger Aufgaben wie etwa die Auswahl und Beratung des Vorstands gehen. Die Alternative dazu wäre die Erweiterung die Zahl der Aufsichtsratsmitglieder über die Zahl drei hinaus. Dies würde zwar einerseits die Diversität an Kompetenzen im Aufsichtsrat vergrößern, geht aber möglicherweise an den Bedürfnissen von kleineren Unternehmen mit weniger komplexen Geschäftsmodellen vorbei. Zu denken ist etwa an Finanzierungstöchter großer Konzerne, die als Emittenten von Anleihen ebenfalls Unternehmen im öffentlichen Interesse sind. Auch müssen Unternehmen, die unter die Mitbestimmungsregelungen fallen, gemäß § 95 AktG darauf achten, dass die Zahl ihrer Aufsichtsratsmitglieder durch Drei teilbar sein muss. Dies erfordert bei einem bislang nur dreiköpfigen Aufsichtsrat bei einer Erweiterung dann die Vergrößerung auf sechs Personen. Vor dem Hintergrund dieser Fragen zur Umsetzung der geplanten neuen Vorschriften sollte der Gesetzgeber noch einmal über Ausnahmeregelungen für kleinere Aufsichtsgremien nachdenken. Außerdem wäre es wünschenswert, wenn im neuen FISG analog zur aktuellen Fassung des Deutschen Corporate Governance Kodex auch festgeschrieben wäre, dass der Vorsitzende des Prüfungsausschusses über besondere Kenntnisse und Erfahrungen in der Anwendung von Rechnungslegungsgrundsätzen und internen Kontrollverfahren verfügen und mit der Abschlussprüfung vertraut sein soll.
Inkrafttreten der neuen Vorschriften
Das neue FISG soll am 1. Juli 2021 in Kraft treten. Es bedarf auch der Zustimmung des Bundesrates. Die Vorschriften zur Errichtung eines Prüfungsausschusses, zu seinen Informationsrechten sowie zur Qualifikation seiner Mitglieder sollen ab dem 1. Januar 2022 gelten. Insofern sollten sich die Aufsichtsräte in Unternehmen von öffentlichem Interesse bereits jetzt mit den geplanten Neuregelungen und auch mit der künftigen Zusammensetzung des Aufsichtsrats und des Prüfungsausschusses sowie ggfs. auch mit der Identifizierung geeigneter Personen befassen. Bei der Suche nach geeigneten Personen ist auch die Einschaltung von externen Dienstleistern, die auf diesem Gebiet spezialisiert sind, empfehlenswert, da diese den Kreis möglicher Kandidaten über das vorhandene Netzwerk hinaus erweitern können.
Im Übrigen hat auch die Deutsche Börse infolge der Wirecard-Ereignisse ihre Regeln für die DAX-Auswahlindizes umfassend überarbeitet. Künftig müssen alle Unternehmen der DAX-Familie die Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance Kodex zum Prüfungsausschuss erfüllen. Sie sind ab September 2022 von den betreffenden Unternehmen zwingend zu erfüllen und gelten bereits ab März 2021 für die Neuzugänge zum DAX.
Zum Autor:
Dr. Klaus Weigel ist seit 2007 Geschäftsführender Gesellschafter der Board Xperts GmbH, Frankfurt am Main. Die Board Xperts GmbH ist spezialisiert auf die Vermittlung qualifizierter Aufsichtsräte und Beiräte. Dr. Weigel war 25 Jahre im Corporate-Finance- und Private-Equity-Geschäft in leitender Funktion und als Mitglied in Beiräten und Aufsichtsräten tätig. Er ist zugleich Mitgründer und Vorstandsmitglied der Vereinigung Aufsichtsräte Mittelstand in Deutschland e.V. (ArMiD).
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