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Die öffentliche Diskussion über die Arbeit von Aufsichtsräten hat in jüngster Zeit deutlich zugenommen. Dies betrifft nicht nur Aufsichtsräte in großen Publikumsgesellschaften. Auch bei Kapitalmarktunternehmen mit starkem Familieneinfluss werden heute höhere Anforderungen an eine professionelle Besetzung und Arbeit des Aufsichtsgremiums gestellt.

Aufsichtsrat ist kein Ehrenamt

Die Tätigkeit als Aufsichtsrat ist in den vergangenen Jahren deutlich intensiver und zeitaufwendiger geworden. Sie ist mit einer „ehrenamtlichen“ Tätigkeit nicht mehr zu vergleichen. Der Gesetzgeber hat sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene eine Vielzahl von neuen Aufgaben und Regulierungen bezüglich der Arbeit von Kontroll- und Aufsichtsgremien geschaffen. Diese haben auch die mit einer Aufsichtsratstätigkeit verbundenen Haftungsrisiken nachhaltig erhöht. Hinzu kommt, dass auch neue Regeln an den internationalen Kapitalmärkten und eine erhöhte Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit durch Fehlentwicklungen in einzelnen Unternehmen das Organ Aufsichtsrat und seine Mitglieder stark in die öffentliche Diskussion und zum Teil auch in die Kritik gebracht haben. Wie eine jüngere Studie der Universität Hohenheim gezeigt hat, haben Aufsichtsräte ein zunehmendes Imageproblem.

Auch die Qualitätsanforderungen an die Nominierung von Aufsichtsräten und deren Arbeit im Organ sind strenger geworden. Vertreter institutioneller Investoren, aber auch die Schutzvereinigungen der Kleinaktionäre melden
sich vor und in den Hauptversammlungen vermehrt zu Wort und stellen die Wahlvorschläge und die Zusammensetzung des Aufsichtsrats zur Diskussion. Das Aktienrecht stellt z.B. besondere Qualifikationsanforderungen an die Arbeit des Finanzexperten im Aufsichtsrat. Trotz Auslaufens der Übergangsfrist in diesem Jahr erfüllen viele kapitalmarktorientierte Unternehmen heute noch nicht diese aktienrechtliche Verpflichtung. Das gilt vor allem für mittelgroße und kleinere Aktiengesellschaften.

In zunehmendem Maße beschäftigt die Arbeit von Aufsichtsgremien auch die Gerichte. So hat sich in einer richtungsweisenden Entscheidung der Bundesgerichtshof 2012 mit dem Umfang und Ausmaß der Pflichten von Aufsichtsräten in kapitalmarktorientierten Unternehmen befasst und dabei bestimmte Sorgfaltspflichten für die Auswahl externer Berater festgelegt.

Professionalität bei der Nominierung

Die gestiegene Komplexität der Geschäftsmodelle vieler Unternehmen und umfangreiche neue Corporate-Governance-Vorschriften erfordern bei den Aufsichtsräten auch eine höhere Professionalität in den Auswahlprozessen neuer
Gremienmitglieder. Dabei wird nicht zwischen großen und kleineren Unternehmen unterschieden. In zunehmendem Maße werden daher von den in den Nominierungsprozess einbezogenen Gremienmitgliedern auch externe Berater hinzugezogen. Für viele institutionelle Investoren ist die qualifizierte Besetzung des Aufsichtsratsgremiums ein wichtiges Kriterium bei ihren Portfolioentscheidungen. Sie achten in zunehmendem Maße auch darauf, dass ein Aufsichtsrat mit Persönlichkeiten besetzt ist, die aufgrund ihres eigenen beruflichen Werdegangs über das notwendige Know-how für diese Kontroll- und Überwachungsaufgabe verfügen. Dies sollten Kapitalmarktunternehmen
auch aus dem Mittelstand nicht unterschätzen.

Ferner enthält der im Frühjahr 2014 vorgelegte
Entwurf für eine Überarbeitung der EU-Aktionärsrechte-Richtlinie erheblichen Zündstoff, der in den jetzt anstehenden Beratungen noch für reichlich Diskussionen sorgen dürfte. Auch hier sind Aufsichtsräte gut beraten, diese Diskussion kritisch zu verfolgen. Zentraler Punkt ist die Einführung eines regelmäßigen Votums der Hauptversammlung für das Vergütungssystem von Vorstand und Aufsichtsrat. Werden diese Pläne der EU-Kommission umgesetzt, soll künftig mindestens alle drei Jahre über die Vergütungs politik abgestimmt werden, und das wohl mit bindender Wirkung.

Vermehrte Fragen in Hauptversammlungen

Auch in den Hauptversammlungen der deutschen Aktiengesellschaften rücken Fragen und Diskussionen zur Zusammensetzung des Aufsichtsrats und zur Effizienz seiner Arbeit immer stärker in den Fokus. Insofern ist es wichtig, auch diese Aspekte im Rahmen der Vorbereitung einer Hauptversammlung ernsthaft zu berücksichtigen. Dies gilt wiederum nicht nur für die großen Publikumsgesellschaften. Folgende Aspekte sind dabei besonders zu bedenken:
— Aktionäre und Aktionärsvertreter werden immer häufiger Fragen zur Struktur und Zusammensetzung des Aufsichtsrats stellen. Hierbei sollten die Unternehmen den Begriff „Diversity“ breiter als nur auf den Anteil weiblicher Aufsichtsräte fassen. Es empfiehlt sich, dass der Aufsichtsrat von sich aus Aussagen zu seiner in den kommenden Jahren angestrebten Struktur macht sowie zum künftigen Kompetenztableau seiner Mitglieder vor dem Hintergrund
der erwarteten Herausforderungen des Unternehmensumfelds und dies auch entsprechend erläutert.
— Auch Fragen zur Qualifikation sowie zu Qualifizierungsmaßnahmen und zur regelmäßigen Weiterbildung dürften deutlich intensiver als bisher üblich in den Hauptversammlungen thematisiert werden. Eine entsprechende Regelung im Corporate Governance Kodex, die sowohl den Vorstand als auch den Aufsichtsrat entsprechend verpflichtet, bietet hierzu den Anlass.

Fazit

Die professionelle Zusammensetzung und Arbeit des Aufsichtsrats ist ein immer wichtigeres Vertrauensmerkmal für Aktionäre und Fremdkapitalgeber unabhängig von der Unternehmensgröße. Diese Investorengruppen haben ihre Anforderungen an die Professionalität der Mitglieder im Kontroll- und Aufsichtsgremium deutlich angehoben. Es ist eine absolute Notwendigkeit, sich in den Hauptversammlungen darauf proaktiv einzustellen. Nur wenn der Aufsichtsrat zugleich Kontrolleur und strategischer Sparringspartner des Vorstands ist, kann er das Unternehmen im Sinne der Aktionäre nachhaltig fördern.

Zur Person

Dr. Klaus Weigel ist seit 2006 Geschäftsführender Gesellschafter der WP Board & Finance GmbH, Bad Homburgv.d. Höhe. Er war zuvor 25 Jahre für verschiedene Banken im Corporate Finance- und Private-Equity-Geschäft in leitender Funktion und als Mitglied in Beiräten und Aufsichtsräten tätig. Die WP Board & Finance GmbH ist spezialisiert auf die Vermittlung qualifizierter Aufsichtsräte und Beiräte. Dr. Weigel ist ferner Mitgründer und Vorstandsmitglied des Verbands Aufsichtsräte Mittelstand in Deutschland e.V. (ArMiD).
klaus.weigel@board-finance.de

 

Erschienen in: „HV MAGAZIN 2/2014“