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Die laufende Hauptversammlungssaison ist im Zuge von Covid 19 durch zweierlei geprägt: durch virtuelle Zusammenkünfte, was die technische Durchführung betrifft und, inhaltlich, durch die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie. In der kommenden Saison wird dagegen das Thema Vorstandsvergütung im Mittelpunkt stehen.

Durch die Umsetzung der EU-Aktionärsrechterichtlinie in deutsches Recht, auch ARUG II genannt, erhalten die Aktionäre deutlich mehr Einfluss. Der deutsche Gesetzgeber verpflichtet nämlich alle börsennotierten Aktiengesellschaften, künftig in der Hauptversammlung mindestens alle vier Jahre über das Vergütungssystem von Vorstand und Aufsichtsrat abstimmen zu lassen, bei wesentlichen Änderungen sogar umgehend. Außerdem sollen ab 2022 die Aktionäre den Vergütungsbericht separat genehmigen, und dies jedes Jahr. Bislang hatten die Unternehmen die Wahl, die Billigung des Vergütungssystems („say-on-pay“) auf die Tagesordnung der Hauptversammlung zu setzen. Jetzt wird es Pflicht. Gleichzeitig werden 2021 die wirtschaftlichen Folgen der Covid-19-Pandemie, durch den Lockdown in vielen Ländern für erhebliche Diskussionen sorgen, insbesondere wenn bei hohen Arbeitslosenquoten und Kurzarbeiterzahlen weiterhin hohe Vorstandsgehälter gezahlt werden sollen.

Aktionäre und vor allem institutionelle Investoren gewinnen durch ARUG II mehr Einfluß. Wie aber eine aktuelle Studie des DIRK (Deutscher Investor Relations Verband e. V.), des Vergütungsberaters HKP sowie des Göttinger Wirtschaftsprofessors Michael Wolff zeigt, bleibt unklar, welche Anforderungen institutionelle Investoren an die Ausgestaltung der Vorstandsvergütung haben. Die Richtlinien der 40 größten Investoren im DAX-30 sind derzeit häufig noch unvollständig, ja unverständlich. Dabei liegt deren Gesamtinvestment bei mehr als 300 Milliarden Euro und macht ihr Abstimmungsverhalten damit sehr relevant. Die Studie hat auch die Proxy Voting Guidelines der weltweit größten Stimmrechtsberater ISS und Glass-Lewis hinsichtlich der für Vergütungssysteme relevanten Gestaltungskriterien untersucht. Trotz zahlreicher Verbesserungen in den vergangenen zwei Jahren haben viele in den DAX-Unternehmen engagierten, großen Investoren immer noch keine oder unzureichende Vorgaben zur Gestaltung und Kommunikation der Vorstandsvergütung veröffentlicht. Dies birgt für die Unternehmen die Gefahr, dass Investoren, die die Unternehmen bezüglich ihrer Anforderungen an die Vorstandsvergütung im Unklaren lassen, in ihrem Abstimmungsverhalten unberechenbar sind. Die Unternehmen und damit insbesondere auch die jeweiligen Aufsichtsräte sind jedoch auf klare und verständlich formulierte Richtlinien angewiesen, um individuell – je nach Aktionärsstruktur – entsprechend darauf zu reagieren. Gleichzeitig wird hierdurch eine erpresserische Willkür im Stimmverhalten von institutionellen Investoren möglich.

Ein Problem ist allerdings auch, dass die Unternehmen und damit die Aufsichtsräte gar nicht gleichzeitig alle Forderungen der verschiedenen Investoren erfüllen können. Die Kakofonie der Abstimmungsrichtlinien ist einfach zu groß. Es wird also auch darauf ankommen, ob Investoren bereit sind, in Zukunft Mehrheitsentscheidungen zu akzeptieren, auch wenn diese nicht ihren eigenen Vorstellungen entsprechen. Gerade Investoren mit sehr detaillierten Guidelines sind oft kritischer in ihrem Abstimmungsverhalten. Hinzu kommt, dass auch einige Investoren den Deutschen Corporate Governance Kodex nicht als Standard akzeptieren und stattdessen der Meinung sind, sie müssten ihre eigenen Vorstellungen durchsetzen. Dabei sollte eigentlich der gerade erst reformierte Kodex mit einem Schwerpunkt zum Thema Vorstandsvergütung den Unternehmen und Investoren als Richtschnur dienen. Nur etwa ein Viertel der Investorengruppen bekamen in der eingangs erwähnten Studie bezüglich ihrer Guidelines zum Thema Vorstandsvergütung eine positive Bewertung, darunter die vier deutschen Investoren Deka, Union, DWS und Allianz Global Investors. In nahezu jedem Kriterium werden detaillierte Erwartungen erläutert, die sich direkt und ohne weitreichende Interpretationen in die Gestaltung eines Vorstandsvergütungssystems übersetzen lassen. Aufsichtsräte sind also gut beraten, sich mit diesen Anforderungen wichtiger institutioneller Investoren im Hinblick auf die Hauptversammlung 2021 frühzeitig und intensiv zu beschäftigen.

Zum Autor:

Dr. Klaus Weigel ist seit 2007 Geschäftsführender Gesellschafter der Board Xperts GmbH, Frankfurt am Main. Die Board Xperts GmbH ist spezialisiert auf die Vermittlung qualifizierter Aufsichtsräte und Beiräte. Dr. Weigel war 25 Jahre im Corporate-Finance- und Private-Equity-Geschäft in leitender Funktion und als Mitglied in Beiräten und Aufsichtsräten tätig. Er ist zugleich Mitgründer und Vorstandsmitglied der Vereinigung Aufsichtsräte Mittelstand in Deutschland e.V. (ArMiD).

E-Mail: klaus.weigel@board-experts.de