Dieses Zahl lässt aufhorchen: Nach einer Umfrage der Directors Academy besuchen nur 3,7 Prozent der befragten Aufsichtsräte regelmäßig qualitativ hochwertige Lehrgänge bzw. Seminare oder nutzen seminarähnliche, digitale Angebote. Offensichtlich informiert sich die weit überwiegende Mehrheit der Aufsichtsräte über neue regulatorische, unternehmensspezifische oder disruptive Entwicklungen, wenn überhaupt, nur gelegentlich und eher nach dem Zufallsprinzip.
In die gleiche Richtung weist eine kürzlich von der DWS Deutsche Gesellschaft für Wertpapierbesitz in Auftrag gegebene Studie. Die dort befragten 90 Aufsichtsratsmitglieder gaben ihren Mandatskollegen im Schnitt nur 48 von 100 Kompetenzpunkten, während sie sich selbst immerhin mit 79 von 100 Punkten bewerteten.
Schon in der diesjährigen Hauptversammlungssaison wird die Weiterbildung von Aufsichtsräten mehr in den Fokus rücken. Unter dem Grundsatz 18 sieht die Empfehlung D.12 im aktuellen Deutschen Corporate Governance Kodex nämlich sowohl eine Verpflichtung der Aufsichtsratsmitglieder zur Aus- und Weiterbildung als auch eine Berichtspflicht gegenüber den Aktionären vor. Dabei sind weder die Form der Berichterstattung noch die Art der Aus- und Fortbildungsmaßnahmen vorgegeben. Dies können Ausbildungsprogramme sein, die verschiedentlich angeboten werden und viele Themengebiete abdecken, mit denen sich Aufsichtsräte bei ihrer Mandatstätigkeit auseinandersetzen sollten. Dazu gehört aber auch die Teilnahme an AR-spezifischen Konferenzen. Auch die Mitgliedschaft in Aufsichtsratsvereinigungen wie z. B. Aufsichtsräte Mittelstand in Deutschland e. V. (ArMiD) und der Austausch der Mitglieder untereinander dienen dazu, Kenntnisse und Fähigkeiten für die Mandatsarbeit weiterzuentwickeln.
Es ist davon auszugehen, dass vor diesem Hintergrund künftig auch institutionelle Investoren, Stimmrechtsberater und Analysten verstärkt die Qualifikation einzelner Aufsichtsratsmitglieder und die Art ihrer regelmäßigen Weiterbildung hinterfragen werden. Bei fehlender oder unzureichender Berichterstattung könnte dies sogar zu einer Nichtentlastung führen. Schließlich werden im Aufsichtsgremium u. a. Entscheidungen zur Besetzung von Positionen im Topmanagement getroffen. Diese sind letztlich entscheidend für die Strategie und die operative Performance eines Unternehmens. Deshalb sollte die Weiterentwicklung der Kompetenzen im Gremium mehr sein als nur ein lästiges Pflichtprogramm.
Im Übrigen hat auch die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) – häufig als „Bilanzpolizei“ bezeichnet – kürzlich angekündigt, dass sie künftig bei Verdachtsfällen nicht nur die Verwaltung eines Unternehmens, nämlich den Finanzvorstand, zu den Abschlüssen befragen wird, sondern auch den Aufsichtsrat und hier insbesondere den Prüfungsausschuss. Man verspreche sich hiervon einen stärkeren Druck auf die Aufsichtsräte, sich intensiv mit der Rechnungslegung der Unternehmen zu befassen und so indirekt eine stärkere Kontrolle auszuüben.
Zum Autor:
Dr. Klaus Weigel ist seit 2007 Geschäftsführender Gesellschafter der Board Xperts GmbH, Frankfurt am Main. Die Board Xperts GmbH ist spezialisiert auf die Vermittlung qualifizierter Aufsichtsräte und Beiräte. Dr. Weigel war 25 Jahre im Corporate-Finance- und Private-Equity-Geschäft in leitender Funktion und als Mitglied in Beiräten und Aufsichtsräten tätig. Er ist zugleich Mitgründer und Vorstandsmitglied der Vereinigung Aufsichtsräte Mittelstand in Deutschland e.V. (ArMiD).
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