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Die professionelle Besetzung von Kontrollgremien in Stiftungen

In der aktuellen Diskussion um die Corporate Governance in börsennotierten und privat gehaltenen Unternehmen nimmt die professionelle Etablierung und Zusammensetzung von Aufsichts- und Kontrollgremien einen breiten Raum ein. In Stiftungen hat sich die Idee von der Einsetzung qualifizierter Kontrollorgane dagegen nur mäßig durchgesetzt. Gibt es diese überhaupt, so haben sie häufig eher repräsentative oder höchstens beratende Funktionen. Dabei kann sich ein kompetenter Beirat oder ein professionelles Kuratorium auch für Stiftungen bezahlt machen. von Dr. Klaus Weigel

Für jede Stiftung ist die Qualifikation der handelnden Personen von entscheidender Bedeutung. Denn sie tragen nicht nur Verantwortung für das Tagesgeschäft, sondern auch für die Umsetzung des Stifterwillens. Die Corporate Governance deutscher Stiftungen obliegt weitestgehend der Gestaltungsfreiheit des jeweiligen Stifters. Dabei ist es ratsam, dass der weitreichende Handlungsspielraum des Stiftungsvorstands durch ein Kontrollorgan überwacht wird. So sehen auch die 2006 vom Bundesverband Deutscher Stiftungen verabschiedeten „Grundsätze Guter Stiftungspraxis“ vor, dass die Mitglieder von Kontroll- und Beratungsgremien grundsätzlich unabhängig von den für die operative Tätigkeit verantwortlichen Organen sind

Ähnliche Funktionen wie ein Aufsichtsrat

Laut den Ergebnissen der 2010 vom Bundesverband herausgegebenen Studie „Führung, Steuerung und Kontrolle in der Stiftungspraxis“ verfügen 77% der Stiftungen über ein separates Kontrollorgan. Und mit steigendem Stiftungsvermögen nimmt die Anzahl der Stiftungen zu, die eine Zustimmungsverpflichtung des Aufsichtsgremiums für Förderprojekte und -programme vorsehen. Beirat oder Kuratorium lassen sich dabei ähnlich wie ein Aufsichtsrat mit weitreichenden Zustimmungskompetenzen ausstatten. So kann sichergestellt werden, dass der Stiftungsvorstand stets im Sinne des jeweiligen Stifters agiert. Hierbei ist allerdings auf eine exakte Abgrenzung zu anderen Organen und der staatlichen Stiftungsaufsicht zu achten. Dabei ist der Kompetenzbereich der staatlichen Aufsichtsbehörden gesetzlich geregelt und besteht typischerweise in der Prüfung der Jahresberichte und der Einhaltung des Stifterwillens. Die Stiftungsaufsicht kann daher nur Rechts-, aber nicht Fachaufsicht sein. Kontrollorgane dürfen dagegen durchaus auch in fachlichen Fragen mitentscheiden.

Ein Kuratorium oder Beirat überwacht und berät den Stiftungsvorstand in seiner Arbeit und hat somit Entscheidungs- bzw. Zustimmungskompetenzen. Für diese Aufgabe ist es wichtig, dass die überwiegende Zahl der Gremiumsmitglieder Erfahrungen in den wesentlichen Funktionsbereichen der Stiftung mitbringt. Dabei ist auf eine gute Mischung aus Persönlichkeiten, Erfahrungen und Fähigkeiten zu achten. Branchenkundige Insider können sich sinnvoll mit Personen ergänzen, die Expertise in anderen Bereichen besitzen. Auch Kompetenzen in Finanzierungsfragen, in der Restrukturierung und der Begleitung von Innovationsprozessen können interessant sein. Entscheidend ist immer der Zusatznutzen, den die Mitglieder eines Kontrollgremiums aufgrund ihrer beruflichen Erfahrungen einbringen können.

Ein Beirat oder Kuratorium sollte daher stets Vertreter mit unterschiedlichem Know-how enthalten. Die Beiratsmitglieder müssen neben der persönlichen, fachlichen und sozialen Kompetenz auch in der Lage sein, der Stiftung zeitlich im erforderlichen Maße zur Verfügung zu stehen. Selbstverständlich müssen Beiratsmitglieder die ihnen überlassenen Unterlagen und Informationen vertraulich behandeln und ihrer Aufgabe mit größter Sorgfalt nachgehen.

In der Stiftungsstudie aus dem Jahr 2010 hat sich gezeigt, dass in der heutigen Praxis vor allem die Fachkompetenz in Bezug auf den Stiftungszweck als wichtigste Anforderung an die Mitglieder von Aufsichtsorganen in Stiftungen gesehen wird. Daneben spielen der gesellschaftliche Status, die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe, die nachgewiesene Managementkompetenz sowie die Fachkompetenz in der Vermögensverwaltung eine wesentliche Rolle. Die beiden letztgenannten Kriterien sollten insbesondere für solche Stiftungen ausschlaggebend sein, die aus der Übertragung eines Unternehmens auf eine Stiftung entstanden sind.

Kontrollorgan braucht unabhängige Mitglieder

Außerdem versteht es sich von selbst, dass die Unabhängigkeit zumindest eines wesentlichen Teils der Mitglieder eines Kontrollgremiums eine wichtige Voraussetzung für seine Funktionalität ist. Auch heute finden sich zum Beispiel in Beiräten von Unternehmen noch häufig Vertreter aus der Kreditwirtschaft sowie aus beratenden Berufen. Wenn deren eigene Organisationen zugleich eine wesentliche Geschäftsbeziehung zum betreffenden Unternehmen unterhalten, ist das wichtige Kriterium der Unabhängigkeit von Beiratsmitgliedern zu hinterfragen. Im Übrigen dürfen natürlich auch nachträgliche Änderungen der Zusammensetzung eines Stiftungsbeirats oder Kuratoriums kein Tabu sein. Bei einer unternehmensnahen Stiftung machen auch Veränderungen im Umfeld der Firma gelegentlich die Neuausrichtung des Kontrollgremiums nötig.

Vielfach wird bei der Auswahl von Kuratoriums- oder Beiratsmitgliedern immer noch stark auf das eigene Netzwerk zurückgegriffen. Durch die Einschaltung ausgewiesener Spezialdienstleister kann das Spektrum potenzieller Kandidaten nachhaltig erweitert und optimiert werden. Gute Kuratoriums- und Beiratsmitglieder drängen sich nämlich nicht auf, sondern möchten „ausgewählt“ und angesprochen werden

Selbstverständlich ist bei der Auswahl von Beirats- bzw. Kuratoriumsmitgliedern sicherzustellen, dass Interessenkonflikte vermieden und diese Persönlichkeiten auch die erforderliche Zeit zur Verfügung stellen können. Mit wachsendem Stiftungsvermögen erhöhen sich nämlich auch Umfang und Komplexität der Stiftungsarbeit und das damit erforderliche Zeitbudget. Nur dann kann auch der Zweck eines Aufsichtsgremiums in Stiftungen angemessen erfüllt werden. Als Aufgaben sind hier zu nennen: die Verfolgung des Stiftungszwecks, die Beurteilung und Kontrolle des Leitungsgremiums, die Qualitätssicherung und die Festlegung von Programmfeldern sowie die Evaluierung ihrer Wirksamkeit. Letztlich ist es Aufgabe der Leitungs- und Aufsichtsorgane einer Stiftung, solche Kompetenzregelungen zu definieren und ihre Einhaltung überprüfbar zu machen, um die Effizienz der Stiftung zu verbessern.

Fazit

Ein qualifiziert besetztes Kontrollgremium ist ein strategisches Instrument zur Sicherung der Stiftung im Sinne des Stifters. Richtig eingesetzt hilft es, die gesellschaftlichen Impulse einer Stiftung zu verstärken und Risiken frühzeitig zu erkennen. Hochwertig besetzte Stiftungsbeiräte und Kuratorien haben daher eine überaus attraktive Kosten-Nutzen- Relation.

Zur Person

Dr. Klaus Weigel ist Geschäftsführender Gesellschafter der WP Board & Finance GmbH und verfügt selbst über langjährige Erfahrung als Mitglied in Aufsichtsräten und Beiräten. Das Unternehmen mit Sitz in Bad Homburg v.d.H. (Rhein-Main-Gebiet) ist vor allem auf die Identifizierung und Vermittlung qualifizierter Aufsichtsräte und Beiräte spezialisiert und wurde auch schon für Stiftungen tätig.

Erschienen in: Die Stiftung 2011