Die aktuelle Diskussion um einen Auftrag von Siemens für die Zulieferung an die indische Adani-Gruppe für eine Bahnstrecke zu einer Kohlemine in Australien zeigt deutlich: Das Thema Klimawandel und Nachhaltigkeit nimmt in der öffentlichen Diskussion einen immer breiteren Raum ein. Es kann auch Auswirkungen auf die Reputation von Unternehmenslenkern haben.
So liegen für die Hauptversammlung der Siemens AG Anfang Februar in München bereits Gegenanträge vor, um den Vorstandsvorsitzenden Joe Kaeser wegen der Beteiligung von Siemens an dem Adani-Projekt nicht zu entlasten. Diese höhere Visibilität von Nachhaltigkeits- und Klimathemen unterstreicht auch der aktuelle Neujahrsbrief von Blackrock-Chef Larry Fink an Topmanager weltweit führender Konzerne und der gerade vorgestellte Nachhaltigkeitsreport des World Economic Forum (WEF). Auch auf der diesjährigen WEF-Konferenz in Davos wird das Thema Nachhaltigkeit einen breiten Raum einnehmen. Und die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) hat gerade eine neue Studie veröffentlicht, die sich mit den Folgen des Klimawandels für das Finanzsystem und der Rolle der Notenbanken beschäftigt.
Bei der neuen EU-Kommission wird neben der Digitalisierung in den nächsten Jahren insbesondere das Thema Nachhaltigkeit und Klimawandel im Fokus stehen. Hierzu gehört u. a. der Aktionsplan der Kommission zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums („Sustainable Finance“), der auch Auswirkungen auf die Nachhaltigkeitsstrategien von Unternehmen der Realwirtschaft haben wird. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang auch das Ende 2019 fertiggestellte Merkblatt der BaFin zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken, deren Elemente in das Risikomanagement von Banken, Versicherungen und Kapitalanlagegesellschaften einfließen werden. Dies wird Auswirkungen auf die Geschäfts- und Risikostrategie dieser Kapitalgeber und deren künftigem Finanzierungsverhalten führen. Auch hinzuweisen ist auf die neue „Sustainability Clause“ in Beteiligungsvereinbarungen, zu der sich mehr als 20 führende europäische Venture-Capital-Unternehmen gerade verpflichtet haben.
Damit erfordert die weltweite Klimadebatte auch eine Diskussion über die künftige Unternehmensstrategie in Unternehmen der Realwirtschaft. Es stellt sich nämlich die Frage, ob ein Unternehmen mit seiner bisherigen Aufstellung überhaupt noch wettbewerbsfähig ist, ob neue Markteintrittsbarrieren entstehen oder wegfallen oder Risiken aus der Regulierung bestehen. Es geht letztendlich darum, langfristig unternehmerische Wertschöpfung mit nicht-finanziellen Zielsetzungen bezüglich Umwelt und Corporate Social Responsibility zusammenzuführen. Unternehmen müssen auf die Forderungen ihrer Stakeholder, d. h. Gesellschafter, Kunden und Mitarbeiter reagieren.
Was bedeutet diese neue Sensibilität beim Thema Nachhaltigkeit und Klimawandel für die Arbeit von Aufsichtsräten und Beiräten? Neben der klassischen Kontrollfunktion müssen verstärkt auch Nachhaltigkeitsthemen auf die Agenda von Kontroll- und Aufsichtsgremien. Hier gilt es immer wieder, auch die Sensibilität von Führungskräften zu stärken. Aufsichtsräte werden dadurch vermehrt zu strategischen Sparringspartnern der Vorstände. Zugleich müssen sie für die Vorstände entsprechende Ziele vorgeben, auch im Hinblick auf Vergütungsregeln, und zugleich für die adäquate Zusammensetzung der Vorstände Sorge tragen. Aufsichtsräte müssen bei ihren Diskussionen stets den Unternehmenswert in das Zentrum ihrer Betrachtungen stellen. Nur so können die ökonomischen Auswirkungen von häufig mittel- bis langfristig wirkenden Einflussfaktoren erkannt und analysiert werden. Mit dieser Thematik, wie sich Aufsichtsräte und Beiräte entsprechend einbringen sollten, hat sich im Übrigen auch das 20. Dialogforum der Vereinigung Aufsichtsräte Mittelstand in Deutschland e. V. (ArMiD) beschäftigt. Eine Zusammenfassung findet sich hier.
Zum Autor:
Dr. Klaus Weigel ist seit 2007 Geschäftsführender Gesellschafter der Board Xperts GmbH, Frankfurt am Main. Er war 25 Jahre für Banken im Corporate-Finance- und Private-Equity-Geschäft in leitender Funktion und als Mitglied in Beiräten und Aufsichtsräten tätig. Die Board Xperts GmbH ist spezialisiert auf die Vermittlung qualifizierter Aufsichtsräte und Beiräte. Dr. Weigel ist zugleich Mitgründer und Vorstandsmitglied der Vereinigung Aufsichtsräte Mittelstand in Deutschland e.V. (ArMiD).
E-Mail: klaus.weigel@board-experts.de