Seit vier Jahren treffen sich auf Einladung der Anwaltskanzlei CMS Hasche Sigle, der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO AG und dem Aufsichtsratsdienstleisters WP Board & Finance GmbH Mitglieder von Aufsichts- und Beiräten in mittelgroßen Unternehmen zweimal im Jahr auf den Veranstaltungen „Aufsichtsräte im Dialog“ zum Erfahrungs- und Gedankenaustausch. Aus diesem Kreis entstand Anfang 2013 der Verband „Aufsichtsräte Mittelstand in Deutschland e.V.“ (ArMiD). PT Magazin sprach mit dem Vorsitzenden des Verbandes, Volker Potthoff und dem Vorstandsmitglied Dr. Klaus Weigel.
P.T. Magazin: Warum wurde ArMiD gegründet?
Volker Potthoff: ArMiD wurde gegründet, um die Interessen von Mitgliedern in Aufsichts- und Beiräten von mittelgroßen, sowohl börsennotierten als auch nicht börsennotierten Unternehmen stärker zu artikulieren. Wir sind der Meinung, dass sich momentan die Corporate Governance Debatte zu einseitig an den Strukturen von global ausgerichteten Großkonzernen orientiert.
Wir wollen deshalb für weite Bereiche deutscher Gremienarbeit eine offene Dialogplattform einrichten, auf der sich Praktiker und Experten im Sinne der Weiterentwicklung einer professionellen Aufsichtsratskultur austauschen können. Wir haben festgestellt, dass die Positionen von Mandatsträgern in Familienunternehmen oder nicht gelisteter Unternehmen in der deutschen Öffentlichkeit unterrepräsentiert sind. Die Verhaltensweisen der großen Konzerne bestimmen die öffentliche Diskussion um Corporate Governance. Die Mehrzahl nämlich die Aufsichtsräte und Beiräte mittelständischer Unternehmen – werden nicht adäquat repräsentiert.
Wofür steht der Verband?
Volker Potthoff: AriD steht für eine Mandatsträger-Kultur, die frei von Beeinflussung durch Partikularinteressen sachorientiert im Interesse aller Anspruchsgruppen eines Unternehmens agiert. ArMiD berücksichtigt dabei die Belange der kapitalmarktorientierten Gesellschaften ebenso wie die der familiengeführten Unternehmen, unabhängig von ihrer Rechtsform. Daher wird auch die Rolle von Beiräten in die Debatte einbezogen. Der Verband agiert offen, überparteilich und dialogorientiert und konzentriert sich bei seiner Arbeit auf die Beratungs- und Aufsichtsfunktion der Mandatsträger.
Welche Ziele verfolgt ArMiD?
Dr. Klaus Weigel: Ziel ist es vor allem, Mandatsträger zu fördern und praxisnahe Unterstützung für ihre tägliche Arbeit zu bieten. ArMiD setzt sich für eine gute Corporate Governance ein, die aber auch von Mandatsträgern aus dem Mittelstand umgesetzt und gehandhabt werden kann
Da Sie eben von der vorbildhaften Kultur sprachen: Was macht denn einen guten Aufsichtsrat aus?
Dr. Klaus Weigel: Ein guter Aufsichtsrat lässt sich allein von den Interessen der Gesellschaft und ihrer „stakeholder“, d.h. Gesellschafter, Mitarbeiter, Gläubiger und Kunden leiten. Wenn er so agiert, ist er auch fähig mit etwaigen Interessenkonflikten umzugehen. Er ist offen und dialogorientiert. Das Gremium ist immer so gut wie die Gesamtheit seiner Mitglieder. Deshalb braucht es ein Team mit unterschiedlichen Erfahrungs- und Wissenshintergründen. Große Egos sind da eher hinderlich und häufig Grund von Fehlentwicklungen. Auch die „old boys networks“ sehe ich kritisch. Sie verhindern, dass neue Impulse eingebracht werden. Eine ausgewogene Mannschaft ist entscheidend.
Sie sagen, dass sich der Verband insbesondere an den Bedürfnissen von KMU orientiert. Was zeichnet Ihren Verband dahingehend aus?
Volker Potthoff: Es ist im Wesentlichen der Erfolg seiner Mitglieder. Der Mittelstand in Deutschland ist auch deswegen erfolgreich, da er schnell und flexibel ist, in der Regel schlanke Entscheidungswege hat und mit geringem Formalismus auskommt: unser Verband trägt dem Rechnung und verleiht dem Mittelstand in Deutschland in Sachen Aufsichtsrats- und Beiratsarbeit eine starke Stimme. Darüber hinaus ist ArMiD eine Plattform für den Austausch unter Profis professionell, informativ und unaufgeregt.
Die vom Justizministerium eingesetzte Regierungskommission hat mit ihrem „Corporate Governance Kodex“ eine umfassende Handlungsempfehlung verabschiedet. Wie bewerten Sie den Kodex und die Arbeit der Kommission?
Dr. Klaus Weigel: Der Kodex ist ein hilfreicher Leitfaden für eine gute Unternehmensführung, an dem man beständig weiterarbeiten muss. Die Kommission in ihrer Zusammensetzung oder überhaupt die Zusammenarbeit zwischen Politik und Unternehmen sehen wir derzeit eher kritisch: Aus unserer Sicht ist die Orientierung zu stark auf die großen DAX-Konzerne gerichtet. Es fehlt die Stimme des Mittelstandes.
Die vielen mittelgroßen Familienunternehmen können sich hier nicht wiederfinden, sehen sich unterrepräsentiert. Auch der Gesetzgeber macht seine Ziele zu wenig deutlich und übrig bleibt dann oft nur der Wunsch nach stärkerer Regulierung. Dies halten wir für einen falschen Weg. Die zentrale Zielsetzung von uns allen muss sein, die deutsche Wirtschaft weiterzuentwickeln und zu stärken. Und dafür braucht es Regeln, die auch die Strukturen mittelständischer Unternehmen berücksichtigt.
Sind es nicht gerade die DAX-Unternehmen, die angesichts ihres großen Stakeholder-Values auf einen Corporate Governance Kodex angewiesen sind?
Volker Potthoff: Wir glauben, dass die Fokussierung auf große DAX-Unternehmen die Diskussion über eine gute Corporate Governance einschränkt und damit auch der Gesamtsituation in den deutschen Unternehmen nicht gerecht wird. Der Mittelstand und vor allem die Themen des Mittelstands werden heute nur unzureichend abgedeckt.
Wie stehen Sie zum Thema Vorstandsvergütungen – und wie zu say on pay?
Dr. Klaus Weigel: Bei der Vergütung von Managern sehen wir die in der Diskussion stehenden Gesetzesinitiativen als wenig hilfreich für die viele der deutschen Unternehmen an. Eine Änderung des Aktiengesetzes dahingehend, dass die Hauptversammlung über die Manager-Gehälter beschließen soll, wird eher nicht zur Beseitigung der kritisierten Gehaltsexzesse führen.
Zu den vordringlichen Aufgaben des Aufsichtsrates gehört die Berufung bzw. Abberufung der Vorstandsmitglieder und die Verhandlung der Verträge. Diese Aufgabe kann nicht an die Hauptversammlung delegiert werden. Zu Recht werden exzessive Vergütungen im zweistelligen Millionenbereich hinterfragt – insbesondere dann – wenn Unternehmen bzw. Banken mit Steuergeldern aufgefangen werden. In diesen Sonderfällen ist der Staat legitimiert, in die Höhe von Gehältern einzugreifen. Für die Vergütungen der Vorstände im Allgemeinen aber zahlt ja nicht der Steuerzahler. Deshalb sollte sich die Politik bei Eingriffen in die Privatautonomie und die wirtschaftliche Freiheit eines Unternehmens unserer Auffassung nach zurückzuhalten. Regelungen, die nur zu weiterer Bürokratisierung, Komplexität und Kosten führen, ohne wirklich das Übel an der Wurzel zu packen, bedeuten nur Belastungen vorwiegend mittelgroßer Unternehmen, und dann bestraft man diejenigen, die diese Übertreibungen gar nicht verursacht haben.
Sind Corporate Governance-Themenauch dafür verantwortlich, dass in Deutschland weniger mittelständische Unternehmen, insbesondere Familienunternehmen, den Kapitalmarkt suchen?
Volker Potthoff: Eines vorweg: Wer den öffentlichen Kapitalmarkt in Anspruch nehmen will, muss die Spielregeln hinsichtlich Transparenz, Schutz der Minderheitsaktionäre und Kontrolle des operativen Managements durch unabhängig handelnde Aufsichtsräte in Kauf nehmen. Das ist insbesondere für familiengeführte Unternehmen häufig eine bittere Pille. Die Verschärfung der Corporate Governance-Regeln in den letzten 5 bis 10 Jahren haben aber auch dazu beigetragen, den Kapitalmarkt eher als „lender of last resort“ zu sehen.
Es passt eben nicht alles, was für internationale Großkonzerne angemessen sein mag, auf mittelständische Unternehmen, von den steigenden Kosten und Haftungsrisiken einer ordnungsgemäßen Überwachung ganz abgesehen. Hinzu kommen gesellschaftspolitische Debatten, die in komplexe gesellschaftsrechtliche Vorschriften münden, wie Beschränkungen von Managementgehältern und geschlechterspezifische Diskussionen, die zu einer überproportionalen Belastung mittelständischer Unternehmen beitragen.
Wenn dann noch die deutsche Aktie von einer Transaktionssteuer betroffen werden sollte, wird der Kapitalmarkt in Deutschland für den deutschen Mittelstand schlechthin unattraktiv. Schade um die „Hidden Champions“, die der Börse zweifelsohne gut tun würden.
Zu den Personen
Volker Potthoff, Vorstandsvorsitzender ArMiD, verfügt über eine mehr als 20-jährige Erfahrung im internationalen Finanzmarkt. Seine Laufbahn startete er 1984 in New York bei der US-Kanzlei White & Case als Anwalt. Nach einer achtjährigen Tätigkeit als Syndikus-Anwalt bei der BHF-BANK in Frankfurt wechselte er 1994 zur Gruppe Deutsche Börse als Chef-Syndikus und Leiter der Rechtsabteilung. Dort wurde Volker Potthoff im Jahr 2000 Mitglied des Vorstands, zunächst zuständig für das Ressort Kassamarkt, und war Teil des Teams, das die Deutsche Börse AG an den Kapitalmarkt führte. Später verantwortete er als Vorstand der Clearstream International S.A. in Luxembourg das Wertpapierverwahr- und Bankgeschäft der Gruppe Deutsche Börse. Seit 2006 ist Volker Potthoff als of-Counsel bei der Anwaltskanzlei CMS Hasche Sigle tätig.
Dr. Klaus Weigel, promovierte Ökonom und Vorstandsmitglied ArMiD, begann seine berufliche Laufbahn 1980 bei der BHF-Bank Gruppe und war hier bis in unterschiedlichen Leitungspositionen tätig. Zwischen 2001 und 2006 war Dr. Weigel Vorsitzender der Geschäftsführung von DZ Equity Partner GmbH in Frankfurt und hier verantwortlich für die Betreuung von Portfoliounternehmen aus dem Mittelstand. Seit Oktober 2006 ist er Geschäftsführender Gesellschafter der WP Board & Finance GmbH. Das Unternehmen berät mittelständische Unternehmen, Private-Equity-Häuser und börsennotierte Gesellschaften bei der Besetzung von Aufsichtsrats- und Beiratspositionen und vermittelt Fach- und Branchenexperten. Außerdem gehört Klaus Weigel seit vielen Jahren auch dem Unternehmerbeirat der Oskar-Patzelt-Stiftung an.
ArMiD, Aufsichtsräte Mittelstand in Deutschland e.V., ist ein Verband für Aufsichtsräte und Beiräte mittelgroßer, börsennotierter aber auch nicht börsennotierter deutscher Unternehmen, der sich zum Ziel gesetzt hat, professionelle Mandatsträger zu fördern. Weitere Infos und Kontakt im Internet unter www.armid.de
Erschienen in: P.T. Magazin 2/2014