Die Unternehmen werden in jüngster Zeit immer häufiger mit großen Veränderungen auf ihren Märkten konfrontiert. Vor diesem Hintergrund gewinnt die kritische Begleitung von Unternehmensstrategien durch ein qualifiziert besetztes Kontroll- und Aufsichtsgremium stark an Bedeutung.
Der wirtschaftliche Aufschwung in Deutschland in den vergangenen Jahren ist unter anderem auf die hohe Exportorientierung vieler Unternehmen zurückzuführen. Auch mittelständische Unternehmen ergreifen zunehmend die Chancen, die sich ihnen auf ausländischen Produkt- und Beschaffungsmärkten bieten. Außerdem besteht zwischen globaler Tätigkeit von Unternehmen und Innovationen ein enger Zusammenhang: International aktive Unternehmen führen häufiger Produkt-, Dienstleistungsund Verfahrensinnovationen ein. Das internationale Marktumfeld verändert sich aber ständig durch das Hinzutreten neuer Mitbewerber, durch die Änderungsgeschwindigkeit von Technologien, politische Veränderungen und die Kurzlebigkeit von Produkten und Dienstleistungen. Das stellt Entscheidungsträger in Unternehmen vor immer neue Herausforderungen und erfordert das frühzeitige Erkennen von möglichen Anfälligkeiten des Geschäftsmodells.
Erfahrene Persönlichkeiten einbinden
In diesem Zusammenhang ist ein qualitativ gut besetzter Aufsichtsrat ein sinnvolles strategisches Instrument. Es geht etwa um folgende Fragen: Wie soll sich das Unternehmen künftig positionieren? Welche Produkte oder Dienstleistungen kann es anbieten, welche muss es für neue Märkte gegebenenfalls neu entwickeln? Mit welchen Kooperationspartnern kann es internationale Märkte gemeinsam erschließen? Entstehen möglicherweise gefährliche Abhängigkeiten, etwa von Kunden, Lieferanten oder Vorprodukten? Welche Finanzierungsstrategien können eingesetzt werden? Muss das Unternehmen gegebenenfalls Restrukturierungen einleiten, um wettbewerbsfähig zu werden oder zu bleiben? Wie gefährlich können unerwartete und disruptive Veränderungen für das Unternehmen sein (Stichwort „schwarze Schwäne“)? Können solche Anfälligkeiten quantifiziert werden? Können entsprechende Anfälligkeiten simuliert beziehungsweise antizipiert werden? Deshalb sollten Vorstand und Aufsichtsrat sich stets bewusst sein, welche externen Einflussfaktoren den Erfolg des eigenen Geschäftsmodells bestimmen. Und sie sollten sich regelmäßig fragen, was passiert, wenn diese externen Einflussfaktoren, von deren Fortbestand der Unternehmenserfolg so abhängig ist, sich verändern, gänzlich wegfallen oder sich gar ins Gegenteil verkehren. Aufsichtsräte bringen eine unabhängige Sichtweise ohne betriebsinterne Zwänge und Interessenkonflikte ein. Sie stellen damit zusätzliches externes Know-how zur Verfügung. So können im Unternehmen Risiken verringert und grobe Fehler vermieden werden. Über qualifizierte Gremienmitglieder können aber auch neue Kontakte und Netzwerke erschlossen werden.
Anforderungen an ein erfolgreiches Aufsichtsgremium
Unter Beachtung folgender „Spielregeln“ kann ein Aufsichtsrat zu einem Erfolgsmodell werden:
- Bei der Auswahl der Gremienmitglieder stehen unternehmerische Kompetenzen, Integrität und Loyalität sowie das persönliche und zeitliche Engagement, das die betreffende Person zu erbringen bereit ist, im Vordergrund.
- Gremienmitglieder müssen zugleich materiell, emotional und persönlich unabhängig sein.
- Die Besetzung des Aufsichtsgremiums mit dem Unternehmen nahestehenden Beratern kann bei diesen zu Interessenkonflikten führen. Diesem Personenkreis fehlt darüber hinaus oft die für die Gremienarbeit wertvolle operative Erfahrung in einer Branche.
- Die Vergütung der Gremienmitglieder sollte den Anforderungen, die an sie gestellt werden, entsprechen. Hier sollte die Richtschnur die Vergütung von qualifizierten Beratern sein oder auch die Relation zur Vergütung der operativen Leitungsebene. Lieber ein kleines, qualifiziert besetztes und angemessen honoriertes Aufsichtsgremium berufen.
- Wenn Gremienmitglieder keine operative Verantwortung mehr tragen, sollten sie zumindest die aktuellen Anforderungen des Marktumfeldes des Unternehmens kennen und angemessen beurteilen können. Prominente Manager oder Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens sind im Zweifel weniger geeignet für die Besetzung von Aufsichtsgremien.
In diesem Zusammenhang sind einige Ergebnisse der zwölften Panel-Befragung der Zeitschrift „Der Aufsichtsrat“ interessant. Für eine effi ziente Strategieberatung und -überwachung plädieren 80 Prozent der befragten Aufsichtsräte für regelmäßige Gespräche mit dem Vorstand. Außerdem wünscht sich eine große Mehrheit mehr Zeit für die Top-Strategie beziehungsweise Strategiefortschreibung, und zwar unabhängig von konkreten Entscheidungen. Eine Mehrheit fordert eine gesonderte jährliche Strategiesitzung des Aufsichtsrats, und immerhin jeder vierte Befragte befürwortet einen besonderen Strategieausschuss mit einer spezifischen Informationspflicht des Vorstands. Bemerkenswert ist auch die hohe Zahl der Befürworter, trotz eigener Kompetenzvermutung, externe Berater zu Strategiesitzungen und -beratungen regelmäßig hinzuzuziehen.
FAZIT
In Zeiten sich immer rascher verändernder Rahmenbedingungen und auch disruptiver Innovationen sollte die Unternehmensstrategie immer wieder hinterfragt werden. Ein qualifiziert besetztes Aufsichtsgremium ist ein wichtiger Sparringspartner für Management und Gesellschafter. Letztlich geht es um die Frage, wie anfällig das Unternehmen für exogene und disruptive Veränderungen ist und inwieweit solche Anfälligkeiten konkret simuliert und antizipiert werden können. Diese Fähigkeit von Aufsichtsräten muss eine Kernkompetenz sein. Denn sie entscheidet mit über Erfolg und Misserfolg eines Unternehmens.
Zur Person
Dr. Klaus Weigel ist seit 2006 Geschäftsführender Gesellschafter der WP Board & Finance GmbH, Bad Homburgv.d. Höhe. Er war zuvor 25 Jahre für verschiedene Banken im Corporate Finance- und Private-Equity-Geschäft in leitender Funktion und als Mitglied in Beiräten und Aufsichtsräten tätig. Die WP Board & Finance GmbH ist spezialisiert auf die Vermittlung qualifizierter Aufsichtsräte und Beiräte. Dr. Weigel ist ferner Mitgründer und Vorstandsmitglied des Verbands Aufsichtsräte Mittelstand in Deutschland e.V. (ArMiD).
Erschienen in: „Unternehmeredition Ausgabe 5 – Personal, Strategie 2015“