Bei der Aufarbeitung von Unternehmenskrisen wird neben dem Verhalten des Managements zunehmend auch das Verhalten des Aufsichtsrats untersucht. Insbesondere Insolvenzverwalter und Staatsanwaltschaften ermitteln zunehmend gegen beide Gremien. Was sind besondere Pflichten des Aufsichtsrats in unternehmerischen Krisensituationen?
Die erforderliche Intensität von Kontrolle und Beratungsaufwand durch den Aufsichtsrat erhöht sich in Krisensituationen insoweit, als die Überwachung zu einer unterstützenden bzw. sogar gestaltenden Überwachung werden muss. Bei einer sich abzeichnenden Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung ist der Aufsichtsrat insbesondere verpflichtet, auf die rechtzeitige Stellung eines Insolvenzantrags hinzuwirken. Dies gilt vor allem auch für die Überprüfung, ob Zahlungen ab Eintreten der Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung noch mit §92 Abs. 2 AktG vereinbar sind.
Besondere Aufgaben des Aufsichtsrats in der Unternehmenskrise
Die Personalkompetenz hinsichtlich der Besetzung des Vorstands ist mit die wichtigste Aufgabe eines Aufsichtsrats. Insofern muss er auch dafür Sorge tragen, dass in einer Krisensituation der Vorstand mit für die Krisenbewältigung geeigneten und erfahrenen Personen besetzt ist. Notfalls ist er gehalten entsprechende Veränderungen vorzunehmen.
Desweiteren muss der Aufsichtsrat auf die Vorlage eines Sanierungsplans durch den Vorstand drängen und diesen mit ihm ausführlich diskutieren. Notfalls muss er externe Experten zur Ergänzung der eigenen Kompetenzen in diese Begutachtung einbeziehen. Auch wenn es dem Vorstand an Insolvenzerfahrung fehlt, empfiehlt sich frühzeitig vor Stellung des Insolvenzantrags eine Abstimmung mit dem zuständigen Insolvenzrichter bezüglich einer möglichen Ergänzung bzw. Umbildung des Vorstands. Künftig könnten externe Berater noch früher eingeschaltet werden, da der Rat der Europäischen Union am 6. Juni 2019 der EU-Richtlinie zum vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahren zugestimmt hat. Der deutsche Gesetzgeber hat nun zwei Jahre Zeit, diese Regelungen in einem deutschen Gesetz umzusetzen. Dies soll es Unternehmen in Krisensituationen ermöglichen, ihre Schulden zu restrukturieren ohne notwendigerweise ein gerichtliches Insolvenzverfahren durchlaufen zu müssen.
Jedes Aufsichtsratsmitglied ist verpflichtet, in seine Tätigkeit die hierfür erforderliche Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit einzubringen (§§116 Satz 1, 93 AkG). Wenn der Vorstand im Rahmen eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung eine nach den jeweiligen Umständen erforderliche Prüfung einer Sanierung unterläßt, haftet auch der Aufsichtsrat für den der Gesellschaft entstandenen Schaden, wenn er es schuldhaft unterlassen hat, rechtzeitig auf eine solche Prüfung zu drängen. Insofern ist es empfehlenswert, dass der Aufsichtsrat seine eigenen Aktivitäten und seine entsprechende Kommunikation mit dem Vorstand in einer Krisensituation in geeigneter Form dokumentiert.
Zusammensetzung des Aufsichtsrats in Krisensituationen
In der Krise muss der Aufsichtsrat Lotse und Sparringspartner für das Management sein. Er muss aber auch in der Lage sein Krisensymptome überhaupt zu erkennen. Ein gut strukturierter Aufsichtsrat antizipiert frühzeitig kritische Entwicklungen und liefert dem Vorstand wichtige Hinweise. Dazu muss regelmäßig über seine Zusammensetzung auch situationsbedingt nachgedacht und sie gegebenenfalls auch verändert werden. Aufsichtsratsmitglieder müssen gerade auch in Krisensituationen über die notwendige persönliche und soziale Kompetenz verfügen. Sie müssen zudem in der Lage sein, dem Unternehmen in der Restrukturierung auch in dem erforderlichen zeitlichen Umfang zur Verfügung zu stehen.
In vielen Fällen ist es auch sinnvoll einen Chief Restructuring Officer (CRO) ins Unternehmen zu holen. Dieser kann den Vorstand interimistisch unterstützen, einen tragfähigen Sanierungsplan mit dem Vorstand entwickeln und umsetzen sowie konsensfähige Lösungen zwischen den Stakeholdern vermitteln. Der CRO kann durch seine klare Fokussierung auf die Restrukturierungsarbeiten den Prozess beschleunigen und zugleich Freiräume für den Vorstand schaffen.
Fazit:
Ein qualifiziert besetzter Aufsichtsrat ist insbesondere in Krisensituationen ein strategisches Instrument zur Sicherung der Unternehmenszukunft. Richtig besetzt hilft er das unternehmerische Vermögen zu erhalten und zu mehren. In Zeiten sich immer rascher verändernder Rahmenbedingungen und auch disruptiver Innovationen gilt es immer wieder die Robustheit der Unternehmensstrategie zu hinterfragen. Letztlich geht es um die Frage, wie anfällig das Unternehmen für exogene bzw. disruptive Veränderungen ist und inwieweit solche Anfälligkeiten konkret simuliert und antizipiert werden können. Diese Fähigkeit von Aufsichtsräten muss eine Kernkompetenz sein, denn sie entscheidet mit über Erfolg und Mißerfolg eines Unternehmens.
Zum Autor:
Dr. Klaus Weigel ist seit 2007 Geschäftsführender Gesellschafter der Board Xperts GmbH, Frankfurt am Main. Er war 25 Jahre für Banken im Corporate-Finance- und Private-Equity-Geschäft in leitender Funktion und als Mitglied in Beiräten und Aufsichtsräten tätig. Die Board Xperts GmbH ist spezialisiert auf die Vermittlung qualifizierter Aufsichtsräte und Beiräte. Dr. Weigel ist zugleich Mitgründer und Vorstandsmitglied der Vereinigung Aufsichtsräte Mittelstand in Deutschland e.V. (ArMiD).
E-Mail: klaus.weigel@board-experts.de