Entgegen der bisherigen Rechtsprechung ist ein Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat nicht als Unternehmer tätig, wenn er eine reine Festvergütung für seine Tätigkeit erhält und damit kein Vergütungsrisiko trägt. So hat der Bundesfinanzhof BFH in einem Urteil vom 27. November 2019 entschieden, das erst kürzlich veröffentlicht worden ist (V-R 23/19).
Neue Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH)
Der BFH hatte bisher die Tätigkeit eines Aufsichtsratsmitglieds als Arbeitnehmervertreter gegen Zahlung einer Aufsichtsratsvergütung als selbständige Tätigkeit eines Unternehmers angesehen, ohne hierbei nach der konkreten Ausgestaltung oder den sonstigen Begleitumständen dieser Tätigkeit zu differenzieren. Nach einem Urteil der EuGH vom
13. Juni 2019 übt ein Aufsichtsratsmitglied gerade keine selbständige Tätigkeit aus, auch wenn es weder dem Vorstand noch dem Aufsichtsrat hierarchisch untergeordnet ist, aber nicht im eigenen Namen, für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung, sondern für Rechnung und unter Verantwortung des Aufsichtsrats handelt und dabei infolge einer Festvergütung auch nicht das wirtschaftliche Risiko seiner Tätigkeit trägt.
BFH gibt bisherige Rechtsprechung auf
In dem vom BFH entschiedenen Streitfall war der Kläger als leitender Angestellter einer Konzernmutter in den Aufsichtsrat einer Konzerntochter entsandt worden und war wegen der Weisungsabhängigkeit und der Abführungspflicht hinsichtlich seiner Aufsichtsratsvergütung gegenüber seinem Arbeitgeber (Konzernmutter) nicht völlig unabhängig. Auf der Grundlage des eingangs erwähnten EuGH-Urteils war der Kläger als Aufsichtsratsmitglied nicht als Unternehmer nach §2 Abs. 1 UStG selbständig tätig. Als Mitglied eines Aufsichtsrats wirkt er lediglich an den durch Beschluss zu treffenden Entscheidungen des Aufsichtsrats mit (siehe §108 Abs.1 AktG). Er trug in Bezug auf seine Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied kein wirtschaftliches Risiko, da er eine jährlich gleichbleibende Festvergütung ohne variable Vergütungsbestandteile erhielt. Fahrlässiges Handeln hat damit auf seine Vergütung keinen unmittelbaren Einfluss, sondern begründet lediglich eine Verantwortlichkeit nach §116 AktG (Sorgfaltspflicht). Der BFH hat ausdrücklich offen gelassen, ob für den Fall, dass ein Aufsichtsratsmitglied eine variable Vergütung erhält, an der Unternehmereigenschaft entsprechend der bisherigen Rechtsprechung festzuhalten ist.
Zum Autor:
Dr. Klaus Weigel ist seit 2007 Geschäftsführender Gesellschafter der Board Xperts GmbH, Frankfurt am Main. Er war 25 Jahre für Banken im Corporate-Finance- und Private-Equity-Geschäft in leitender Funktion und als Mitglied in Beiräten und Aufsichtsräten tätig. Die Board Xperts GmbH ist spezialisiert auf die Vermittlung qualifizierter Aufsichtsräte und Beiräte. Dr. Weigel ist zugleich Mitgründer und Vorstandsmitglied der Vereinigung Aufsichtsräte Mittelstand in Deutschland e.V. (ArMiD).
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