Familienunternehmen sind heutzutage mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert, die ihre Zukunft gefährden können und damit den langfristigen Erhalt des in der Regel bedeutendsten Teils des Familienvermögens in Frage stellen.
Diese Herausforderungen sind: Internationalisierung und Globalisierung, Markt und Wettbewerb, Schnelligkeit von Produktlebenszyklen, Innovationsgeschwindigkeit, Digitalisierung von Geschäftsmodellen, Unternehmensnachfolge, Finanzstruktur. Wäre es da nicht hilfreich, Gesprächs- und Sparringspartner an der Seite zu haben, die solche Themen bereits erfolgreich bewältigt haben und an deren Erfahrungen man partizipieren kann?
Flexibles Instrument
Ein Beirat kann diese Rolle – richtig besetzt – idealerweise ausfüllen. Aber: nur etwa die Hälfte der deutschen Familienunternehmen hat bislang ein solches Gremium installiert, und manche Unternehmer lehnen dies gar strikt ab. Die Begründungen reichen von der Angst von Dritten zu sehr kontrolliert zu werden bis hin zur Sorge, dass ein Beirat Entscheidungsprozesse verzögert. Dabei sind Beiräte in Familienunternehmen jenseits des Aktienrechts höchst flexibel gestaltbar und können in ihren Befugnissen auf die individuellen Wünsche und Bedürfnisse des jeweiligen Unternehmens angepaßt werden. Die Motive für die Errichtung eines Beirats sind ganz unterschiedlich. Manchmal geht es nur um eine Image- und Netzwerkpflege, z. B. um wichtige Personen an das Unternehmen zu binden oder um Auslandsmärkte zu erschließen. Andere Familienunternehmen wollen mit einem Beirat externen Sachverstand für das Unternehmen gewinnen. Der Beirat soll die Geschäftsführung und die Gesellschafter in strategischen und operativen Fragen beraten und damit zusätzliche Professionalität beisteuern. Ein Beirat kann auch in der Phase eines Generationenübergangs etwaige Defizite an Erfahrung und Sachverstand der übernehmenden Generation ggfs. auch zeitlich befristet ausgleichen. Auch kann er bei möglichen Konflikten zwischen den Generationen oder Gesellschaftern ausgleichend wirken. Auch bei starkem Wachstum und dadurch zunehmender Komplexität der Aufgaben z.B. durch eine Internationalisierung des Geschäftsmodells ist externer Sachverstand von großem Nutzen. Beiräte können aber auch als echtes Kontroll- und Aufsichtsgremium eingesetzt werden, weil z.B. die Geschäftsführung nur oder zum Teil aus familienfremden Personen besteht und damit Geschäftsführungsverantwortung und Anteilsbesitz nicht übereinstimmen. Gerade bei zunehmender Anteilszersplitterung können Beiräte der gebündelten Wahrnehmung von Gesellschafterrechten und –interessen dienen und dafür sorgen, dass bei Gesellschafterkonflikten das Unternehmen voll handlungsfähig bleibt.
Sinnvolle Schritte für einen passgenauen Beirat in Familienunternehmen:
Schritt 1:
Klärung der Ziele und Erwartungen der Gesellschafter (und der Geschäftsleitung) an den Beirat
Schritt 2:
Transparenz der Gremienfunktionen schaffen/Mögliche Übertragung von Kompetenzen/Erstellung einer Beiratsordnung bzw. Family Governance
Schritt 3:
Erarbeitung eines Beiratsprofils/Ableitung der Suchprofile aus den strategischen Herausforderungen für das Unternehmen in den kommenden Jahren
Schritt 4:
Systematische Suche nach qualifizierten Personen anhand der erarbeiteten Suchprofile, ggfs. auch unter Einschaltung spezialisierter externer Berater
Schritt 5:
Systematisches Onboarding der neuen Beiräte
Schritt 6:
Regelmäßige und kritische Überprüfung der Arbeit und Effizienz des Beirats
Schritt 7:
Anpassung der Zusammensetzung und Arbeit des Beirats an sich ändernde Gegebenheiten, soweit erforderlich.
Qualifikation von Beiratsmitgliedern
Diese Voraussetzungen sollten Personen für eine qualifizierte Beiratstätigkeit mitbringen:
- Operative Erfahrung
Beiräte sollten entweder als Unternehmer oder als angestellte Manager langjährige operative Erfahrung gesammelt haben. Nur wer die Fallstricke des täglichen Geschäfts kennt, kann die Situation anderer Unternehmen und die Leistung der Chefetage profund beurteilen und qualifizierte Empfehlungen aussprechen - Branchenkenntnisse
Beliebt sind Beiräte mit umfangreicher Branchenkenntnis. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, in schwierigen geschäftlichen Situationen mit gezielten Ratschlägen und Kontakten helfen zu können. Aber auch Personen mit Erfahrungen aus anderen Branchen können als „Querdenker“ nützlich sein - Viel Fingerspitzengefühl
Die reibungslose Zusammenarbeit zwischen externen Ratgebern und der operativen Geschäftsführung ist unabdingbar. Wer sich als Beirat empfehlen will, sollte also nicht nur Fachkenntnisse mitbringen, sondern sich auch mit dem sensiblen Zusammenspiel aus operativer Unternehmensleitung und unternehmerischem Kontrollorgan auskennen. - Finanzielle und geistige Unabhängigkeit
Wer sich für eine Beiratstätigkeit interessiert, sollte finanzielle, aber auch geistige Unabhängigkeit und ein gewisses Rückgrat mitbringen. Das macht es wesentlich leichter, in kritischen Situationen der Geschäftsführung oder Gesellschaftern auch einmal zu widersprechen. Ein Beirat, der sich nur in der Komfortzone bewegt, wird wenig Nutzen stiften. Im übrigen ist die Vergütung von Beiräten im Regelfall eher schmal. - Ausreichendes persönliches Zeitbudget
Eine qualifizierte Beiratstätigkeit ist heute kein Ehrenamt mehr. Sie erfordert stets ein flexibles Zeitbudget und manche zusätzliche Stunde, um sich mit den strategischen Themen auseinandersetzen zu können. Der notwendige Zeitaufwand nimmt tendenziell immer weiter zu.
Fazit
Ein qualifiziert besetzter Beirat ist keine lästige Pflicht, sondern ein strategisches Instrument zur Sicherung der Unternehmenszukunft. Damit hilft er, unternehmerisches Vermögen zu erhalten und zu mehren. Dabei kann die Einbeziehung von auf diesem Gebiet spezialisierten Vermittlern mit entsprechendem Netzwerk den Kreis qualifizierter Beiratskandidaten erweitern. Auf jeden Fall sollte man sich für die Auswahl der Mitglieder eines Beirats mindestens so viel Zeit nehmen wie für die Ausarbeitung der Beiratsordnung. Insbesondere sollte man auch daran denken, die Beiräte angemessen zu bezahlen. Da gibt es gerade in Familienunternehmen noch reichlich Luft nach oben! Die Höhe der Beiratsvergütung ist letztlich immer auch ein Zeichen der Wertschätzung seiner Arbeit. Trotzdem gilt: Ein gut besetzter Beirat hat eine fast unschlagbar günstige Kosten-Nutzen-Relation!
Zum Autor:
Dr. Klaus Weigel ist seit 2007 Geschäftsführender Gesellschafter der Board Xperts GmbH, Frankfurt am Main. Er war 25 Jahre für Banken im Corporate-Finance- und Private-Equity-Geschäft in leitender Funktion und als Mitglied in Beiräten und Aufsichtsräten tätig. Die Board Xperts GmbH ist spezialisiert auf die Vermittlung qualifizierter Aufsichtsräte und Beiräte. Dr. Weigel ist zugleich Mitgründer und Vorstandsmitglied der Vereinigung Aufsichtsräte Mittelstand in Deutschland e.V. (ArMiD).
E-Mail: klaus.weigel@board-experts.de