Anläßlich einer Abendveranstaltung zum Thema „Aufsichtsrat und Beirat im Mittelstand“ in der Rechtsanwaltskanzlei Herfurth & Partner in Hannover hat Herr Dr. Klaus Weigel am 27. Oktober 2015 über die aktuelle Praxis der Besetzung von Aufsichtsräten und Beiräten referiert.
Überblick
- Vorstellung Dr. Klaus Weigel
- Einsatz von Aufsichtsrat und Beirat in Unternehmen
- Das Anforderungsprofil für Organmitglieder
- Der Markt für qualifizierte Aufsichtsräte und Beiräte
- Vergütung für Mitglieder von Aufsichtsräten und Beiräten
- Anregungen für die Effizienz der Arbeit von Aufsichtsräten und Beiräten
- Fazit
Vorstellung Dr. Klaus Weigel
Langjährige Erfahrung als Mitglied von Beiräten und Aufsichtsräten sowie bei deren Strukturierung und Zusammenstellung. Mitgründer und Vorstandsmitglied „Aufsichtsräte Mittelstand in Deutschland e.V.“ (ArMiD). Mitglied der Bundesfachkommission „Familien-unternehmen und Mittelstand“ des Wirtschaftsrats.
- seit Oktober 2006
Geschäftsführender Gesellschafter
Board Xperts GmbH (bis Juli 2015 WP Board & Finance GmbH), Frankfurt am Main - Januar 2001 – Mai 2006
Vorsitzender der Geschäftsführung
DZ Equity Partner GmbH, Frankfurt am Main - Mai 1999 – Dezember 2000
Bereichsleiter Corporate Advisory
UBS (Deutschland) AG, Frankfurt am Main - Juli 1980 – April 1999
Abteilungsleiter Beteiligungen / M&A / Aktienemissionen
BHF-Bank AG, Frankfurt am Main
Einsatz von Aufsichtsrat und Beirat in Unternehmen
Systemdarstellung Corporate Governance
Corporate Governance ist die Leitung und Kontrolle eines Unternehmens mit dem Ziel des Interessenausgleichs zwischen den beteiligten Anspruchsgruppen. (nach Witt 2003)
Family Business Governance ist die Organisation von interner Leitung, Kontrolle und Sicherung des Zusammenhalts eines Familien-unternehmens (Eigentümerversammlung, Familienrepräsentanz, Aufsichtsgremium und Top-Management-Team). (nach Alexander Koeberle-Schmid 2008)
Systemdarstellung Corporate Governance in Familienunternehmen
Herausforderungen der Corporate Governance in Familienunternehmen
Ein Beirat ist ein freiwilliges, zusätzliches, in der Regel kleines, auf Dauer angelegtes und nur gelegentlich tagendes Organ oder Gremium, das auf der obersten Führungsebene neben Geschäftsführung und Gesellschafterversammlung angesiedelt ist und sowohl mit Gesell-schaftern als auch Nicht-Gesellschaftern besetzt sein kann. Der Beirat kann eine Vielzahl von Aufgaben wahrnehmen, die in Abhängigkeit von der Situation des Unternehmens individuell zu bestimmen sind. Er soll dem Unternehmen als Instrument zur Lösung bestimmter aktueller oder zukünftiger Probleme dienen. Zur Lösung dieser Probleme übt der Beirat sowohl Kontroll- als auch Beratungs-funktionen aus. (nach Henseler Diss. 2006)
Corporate Governance-Themen in der aktuellen Diskussion
- Professionalisierung des Besetzungsprozesses sowie der Arbeit der Kontroll- und Aufsichtsgremien und ihrer Mitglieder
- Unabhängigkeit der Mitglieder von Kontroll- und Aufsichtsgremien
- Begrenzung der Anzahl von Mandaten pro Person
- Zunehmende Haftungsverschärfung
- Diversity (Gender, Know-how-Profile, Internationalität)
- Umsetzung der EU-Abschlußprüfer-Richtlinie in deutsches Recht
Das Anforderungsprofil für Organmitglieder
Die Anforderungen an Organmitglieder haben sich wesentlich verändert
- Vom Kuschelclub zum Performance-Coach
- Vom Renommee-Job nach einem erfolgreichen Berufsleben zur Profession erfahrener Manager als eigenständiger Karriereweg („Berufsaufsichtsrat“)
- Vom Sitzungsgeld zur leistungsadäquaten und nachhaltigen Vergütung
- Vom Kontrolleur zum strategischen Sparringspartner
Was mittelständische Unternehmen von Private Equity-Häusern lernen können
- (Freiwilliges) Kontrollgremium dient der systematischen Erschließung externen Branchen-Know-hows
- Im Vordergrund der Arbeit des Kontrollgremiums stehen operative und strategische Themen
- Private Equity-Häuser erwarten von Mitgliedern des Kontrollgremiums vor allem Branchenkenntnisse, Erfahrungen in der operativen Unternehmensführung sowie soziale Kompetenz
- Mehrheitlich werden Mitglieder des Kontrollgremiums aufgrund von Empfehlungen Dritter identifiziert
Quelle: Umfrage WP Board & Finance GmbH, 2006
Funktionen und Beispielhafte Aktivitäten des Beirats/Aufsichtsrats
- Beratung der Geschäftsleitung
Sparringspartner bei der Entwicklung einer Unternehmensstrategie
Beurteilung der Wettbewerbsposition - Überwachung der Geschäftsleitung
Bestellung und Überwachung der Geschäftsleitung im Auftrag der Gesellschafterversammlung - Ausgleich unterschiedlicher Interessengruppen
Neutrale Instanz bei Konflikten zwischen unterschiedlichen Gesellschaftergruppen oder Gesellschaftern und dem Management - Erweiterung des Netzwerkes
Schaffung von Marktzugang durch Kontakte und Know-how der Beiräte/Aufsichtsräte - Repräsentation des Unternehmens
Übernahme einer (aktiven) Rolle in der Unternehmenskommunikation
Die einzelnen Mitglieder des Beirats/Aufsichtsrats sollen sich in ihren Fähigkeiten, Denkrichtungen und Erfahrungen ergänzen, um ein möglichst breites Spektrum an Anforderungen abzudecken („Diversity“).
- Fachkompetenz / Sozialkompetenz
- Integrität
- Unabhängigkeit
- Bereitschaft zum persönlichen Einsatz
- Strategisches Denken
- Natürliche Autorität
- Objektives Urteilsvermögen
- Kollegialität
Der Markt für qualifizierte Beiräte und Aufsichtsräte
In den vergangenen Jahren sind zur Existenz, Struktur und Arbeit von Aufsichtsräten und freiwilligen Beiräten einige Umfragen durchgeführt worden:
- Rund 50 Prozent aller mittelständischen Unternehmen haben einen Beirat eingerichtet
- Der Prozentsatz der Unternehmen mit einem Beirat erhöht sich mit steigendem Umsatz ebenso wie mit steigender Zahl der Gesellschafter
- Die Anzahl der Unternehmen mit freiwilligem Kontrollorgan ist in den vergangenen fünf Jahren deutlich gewachsen
- Beiräte sind inzwischen mehrheitlich auch mit externen Persönlich-keiten besetzt
- Bei der Zusammensetzung der Beiräte mit externen Personen dominiert noch immer die Gruppe der Unternehmensberater, Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Bankvertreter, jedoch mit rückläufigem Trend
- Über 70 Prozent der freiwilligen Beiräte setzen sich aus drei bis fünf Mitgliedern zusammen
- Immer häufiger werden dem Kontrollgremium klare Kompetenzen übertragen
- In rund 75 Prozent der Unternehmen mit einem freiwilligen Beirat finden drei bis vier Sitzungen pro Jahr statt
- Die Beiratsvergütung hat in den vergangenen Jahren zugenommen. Sie liegt aber für ein einfaches Mitglied selbst bei Unternehmen bis € 250 Mio. Umsatz in Deutschland häufig noch unter € 20.000,- pro Jahr
- Zwei Drittel der Unternehmen gewinnen ihre Beiratsmitglieder in ihrem unmittelbaren Bekanntenkreis
- Die Zufriedenheit der Unternehmer mit ihrem Beirat ist hoch
- Bei der gewünschten fachlichen Qualifikation von Beiratsmitgliedern dominiert die strategische Kompetenz deutlich vor besonderen Kenntnissen in Finanzen und Controlling.
Vergütung für Mitglieder von Aufsichtsräten und Beiräten
Durchschnittliche Jahresvergütung der einfachen Beirats-/ Aufsichtsratsmitglieder nach Umsatzgröße

Quelle: BfUN 2013
Jahresvergütung der einfachen Beirat-/ Aufsichtsratsmitglieder nach Kompetenzstruktur

Quelle: BfUN 2013
Jahresvergütung der einfachen Beirats-/ Aufsichtsratsmitglieder nach Anzahl der jährlichen Sitzungen

Quelle: BfUN 2013
Vergütungshöhe des Beirats-/ Aufsichtsratsvorsitzenden im Vergleich zu den einfachen Gremienmitgliedern

Quelle: BfUN 2013
Vergütung von Aufsichtsgremien
Kleine bis mittelgroße (börsennotierte) Gesellschaften haben in der Tendenz einen klaren Nachholbedarf bei der Vergütung ihrer Aufsichtsräte/Beiräte:
- Ein Aufsichtsratsvorsitzender im DAX hat durchschnittlich mit € 376.000,- eine fast doppelt so hohe Vergütung wie derjenige in einem MDAX-Unternehmen (€ 198.000,-)
- Ein ordentliches Aufsichtsratsmitglied im DAX erhält jährlich im Durchschnitt € 150.000,-, im MDAX dagegen € 84.000,-
- Die Gesamtvergütung der Aufsichtsräte unterscheidet sich sehr stark je nach Index-Zugehörigkeit und Größe:
- DAX30 Ø T-€ 2.856
- MDAX Ø T-€ 1.077
- SDAX Ø T-€ 320
Quelle: Kienbaum 2015, DSW 2015
Anregungen für die Effizienz von Aufsichtsgremien
- Ein Aufsichtsgremium sollte rechtzeitig und zielbewusst eingesetzt werden
- Gesellschafter und Geschäftsführer sind mit einzubinden
- Die Erwartungen an ein Aufsichtsgremium sind möglichst präzise zu definieren – Transparenz der Gremienarbeit schaffen
- Dem Aufsichtsgremium sind ausreichende Kompetenzen zu übertragen
- Es ist auf eine professionelle Zusammensetzung zu achten
- Für alle Mitglieder sind detaillierte Anforderungsprofile zu definieren
- Ausschließlich hochqualifizierte Persönlichkeiten sind für das Aufsichtsgremium geeignet
- Eine professionelle Einführung und Arbeitsstruktur gewährleistet eine effektive Arbeit
- Eine regelmäßige und kritische Überprüfung der Arbeit des Aufsichtsgremiums erhöht dessen Effizienz
- Das Aufsichtsgremium ist an sich ändernde Verhältnisse anzupassen
Fazit
Ein Kontroll- und Aufsichtsgremium bietet gerade auch für Familienunternehmen klare Vorteile:
- bringt zusätzliche Erfahrung, Expertise und Neutralität in das Familien-unternehmen ein
- fördert Selbstdisziplin und Verantwortungsbewusstsein des Managements
- bewertet die Leistung, die Strategie, die Vergütung und andere Aspekte des Familienunternehmens aus neutraler Sicht im Interesse des Unternehmens
- bewertet die Ideen von Eigentümer-Managern und Fremdmanagern
- unterstützt bei der strategischen Planung und internen Kontrolle
- fördert die Entscheidungsfindung
- stellt herausfordernde und kritische Fragen
- liefert unterstützende und vertrauenswürdige Beratung
- verbessert die Beziehungen zwischen den verschiedenen Interessengruppen
Abendveranstaltung vom 27.10.2015 Download der Präsentation "Aufsichtsrat und Beirat im Mittelstand" als PDF-Dokument.