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Die öffentliche Diskussion über die Arbeit von Aufsichtsräten hat in jüngster Zeit deutlich zugenommen. Dies betrifft nicht nur Aufsichtsräte in großen Publikumsgesellschaften. Auch bei Kapitalmarktunternehmen mit starkem Familieneinfluss werden heute höhere Anforderungen an eine professionelle Besetzung und die Arbeit des Aufsichtsgremiums gestellt.

Aufsichtsrat ist kein Ehrenamt

Die Tätigkeit als Aufsichtsrat ist in den vergangenen Jahren deutlich intensiver und zeitaufwendiger geworden. Sie ist mit einer „ehrenamtlichen“ Tätigkeit früherer Jahre nicht mehr zu vergleichen. Der Gesetzgeber hat sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene eine Vielzahl von neuen Aufgaben und Regulierungen bezüglich der Arbeit von Kontroll- und Aufsichtsgremien definiert. Diese haben auch die mit einer Aufsichtsratstätigkeit verbundenen Haftungsrisiken nachhaltig erhöht. Hinzu kommt, dass auch neue Regeln an den internationalen Kapitalmärkten und eine erhöhte Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit durch Fehlentwicklungen in einzelnen Unternehmen das Organ Aufsichtsrat und seine Mitglieder stark in die öffentliche Diskussion und zum Teil auch in die Kritik gebracht haben. Wie eine Studie der Universität Hohenheim im vergangenen Jahr gezeigt hat, haben Aufsichtsräte auch ein zunehmendes Imageproblem.

Darüber hinaus sind die Qualitätsanforderungen an die Nominierung von Aufsichtsräten strenger geworden. Vertreter institutioneller Investoren, aber auch die Schutzvereinigungen der Kleinaktionäre melden sich vor und in den Hauptversammlungen vermehrt zu Wort und stellen die Wahlvorschläge und die Zusammensetzung des Aufsichtsrats zur Diskussion. Das Aktienrecht stellt z.B. besondere Qualifikationsanforderungen an die Arbeit des Finanzexperten im Aufsichtsrat. Trotz Auslaufens der Übergangsfrist aus dem Jahr 2009 erfüllen viele kapitalmarktorientierte Unternehmen heute noch nicht diese aktienrechtliche Verpflichtung. Das gilt vor allem für mittelgroße und kleinere Aktiengesellschaften.

In zunehmendem Maße beschäftigt die Arbeit von Aufsichtsgremien auch die Gerichte. So hat sich in einer richtungsweisenden Entscheidung der Bundesgerichtshof 2012 mit dem Umfang und Ausmaß der Pflichten von Aufsichtsräten in kapitalmarktorientierten Unternehmen befasst und dabei bestimmte Sorgfaltspflichten für die Auswahl externer Berater festgelegt.

„Die Tätigkeit als Aufsichtsrat ist in den vergangenen Jahren deutlich intensiver und zeitaufwendiger geworden.“

Professioneller Auswahlprozess

Auch die gestiegene Komplexität der Geschäfts modelle vieler Unternehmen erfordert bei den Aufsichtsräten einen professionellen Auswahlprozess. In zunehmendem Maße werden daher in den Nominierungsprozess auch externe Berater einbezogen. Für viele institutionelle Investoren ist die qualifizierte Besetzung des Aufsichtsratsgremiums ein wichtiges Kriterium bei ihren Portfolioentscheidungen. Sie achten in zunehmendem Maße darauf, dass ein Aufsichtsrat mit Persönlichkeiten besetzt ist, die aufgrund ihres eigenen beruflichen Werdegangs über das notwendige Know-how für diese Kontroll- und Überwachungsaufgabe verfügen. Sie sollten auch die erforderliche Zeit für eine solche Tätigkeit mitbringen. Dies müssen Kapitalmarktunternehmen auch aus dem Mittelstand bei ihren Wahlvorschlägen beachten.

„Nur wenn der Aufsichtsrat zugleich Kontrolleur und strategischer Sparringspartner des Vorstands ist, kann er das Unternehmen im Sinne der Aktionäre nachhaltig fördern.“

Fazit

Die professionelle Zusammensetzung und Arbeit des Aufsichtsrats ist ein immer wichtigeres Vertrauensmerkmal für Aktionäre und Fremdkapitalgeber unabhängig von der Unternehmensgröße. Diese Investorengruppen haben ihre Anforderungen an die Professionalität der Mitglieder im Kontroll- und Aufsichtsgremium deutlich angehoben. Nur wenn der Aufsichtsrat zugleich Kontrolleur und strategischer Sparringspartner des Vorstands ist, kann er das Unternehmen im Sinne der Aktionäre nachhaltig fördern.

Zur Person

Dr. Klaus Weigel ist seit 2006 Geschäftsführender Gesellschafter der WP Board & Finance GmbH, Bad Homburgv.d. Höhe. Er war zuvor 25 Jahre für verschiedene Banken im Corporate Finance- und Private-Equity-Geschäft in leitender Funktion und als Mitglied in Beiräten und Aufsichtsräten tätig. Die WP Board & Finance GmbH ist spezialisiert auf die Vermittlung qualifizierter Aufsichtsräte und Beiräte. Dr. Weigel ist ferner Mitgründer und Vorstandsmitglied des Verbands Aufsichtsräte Mittelstand in Deutschland e.V. (ArMiD).

Erschienen in: „HV Magazin – Sonderausgabe HV-Recht 2015“