Die wichtigsten Personalentscheidungen werden im Aufsichtsrat getroffen: Es geht um die Bestellung und Abberufung von Vorständen, um die Ausgestaltung der Vorstandsverträge und um die Verabschiedung einer Geschäftsordnung für den Vorstand. Für die Zusammensetzung des Aufsichtsrats ergeben sich deshalb spezifische Anforderungen. VON DR. KLAUS WEIGEL
Es gibt eine klare Rollenverteilung der drei Unternehmensorgane im deutschen Aktiengesetz bezüglich der Führung des Unternehmens: Die Hauptversammlung als Organ der Aktionäre wählt deren Vertreter für den Aufsichtsrat. Der Aufsichtsrat bestellt den Vorstand und der Vorstand ist für das operative Geschäft verantwortlich – vorbehaltlich definierter zustimmungspflichtiger Geschäfte. Der Personalkompetenz des Aufsichtsrats kommt deshalb eine entscheidende Bedeutung für den Erfolg eines Unternehmens zu.
Aufsichtsrat als entscheidendes Organ
Der Aufsichtsrat hat insbesondere immer wieder zu überprüfen, ob die Zusammensetzung des Vorstands und die Performance seiner Mitglieder den Herausforderungen genügt, denen das Unternehmen ausgesetzt ist bzw. künftig ausgesetzt sein wird. Er hat sich bei der Personalauswahl an den Interessen des Unternehmens zu orientieren. Das setzt voraus, dass es eine klare Strategie für die operative Marschrichtung des Unternehmens und seine Zukunftsmärkte gibt. Damit wird die Besetzung der Leitungsebene auch zu einer Frage des Risikomanagements. Die Besetzung des Vorstands hat dadurch nicht nur eine fachliche und inhaltliche Dimension. In diese Entscheidung müssen auch die Aspekte eines zwischenmenschlichen Miteinanders der Vorstände untereinander und im Zusammenspiel mit dem Aufsichtsrat eingehen, aber auch die Kompatibilität mit dem Wertekanon eines Unternehmens.
Besetzungen regelmäßig hinterfragen
Dabei ist es eine durchaus positive Entwicklung, dass sich unter anderem Vertreter von institutionellen Investoren und von Aktionärsvereinigungen vermehrt vor und in den Hauptversammlungen zu Wahlvorschlägen und zur Zusammensetzung des Aufsichtsrats zu Wort melden. So wird bei Portfolioentscheidungen von institutionellen Investoren auch die qualifizierte Besetzung des Aufsichtsgremiums hinterfragt. Daher sollten etwa die Wahlvorschläge für den Aufsichtsrat den Aktionären möglichst schon vor der Hauptversammlung erläutert werden. Es sollte klar sein, wie der Auswahlprozess ab-gelaufen ist, wer gegebenenfalls von externer Seite in den Prozess involviert war und was den Aufsichtsrat letztlich bewogen hat, gerade diese Person(en) der Hauptversammlung zur Wahl in den Aufsichtsrat vorzuschlagen. Die Personalverantwortung des Aufsichtsrats beinhaltet auch die regelmäßige Überprüfung, ob die Zusammensetzung des Führungsgremiums mit der strategischen Ausrichtung des Unter-nehmens kompatibel ist. Allein schon hieraus können sich Notwendigkeiten für Veränderungen ergeben. In den Rahmen der Personalkompetenz des Aufsichtsrats gehören auch eine regel-mäßige Evaluierung der Performance der einzelnen Vorstandsmitglieder und des Gesamtgremiums sowie eine vor-ausschauende Nachfolgeplanung, um auch auf unvorhergesehene Ereignisse reagieren zu können. Dies schließt eine regelmäßige Befassung mit internen und externen Kandidaten ein.
„In die Besetzung des Aufsichtsrats müssen auch zwischenmenschliche Aspekte eingehen.“
„Bei Portfolioentscheidungen von institutionellen Investoren wird auch die qualifizierte Besetzung des Aufsichtsgremiums hinterfragt.“
HR-Expertise wünschenswert
In vielen Aufsichtsräten, und das gilt selbst für DAX-Konzerne, ist die Hu-man-Resources (HR)-Expertise kaum vertreten. Es dominieren im Rahmen der Kompetenzfelder der Aufsichtsratsmitglieder Strategie und Steuerung, Branchenkenntnisse, Finanzexpertise, Internationalität und Aufsichtsratserfahrung. Offensichtlich wird bei einer erfolgreichen Führungskraft eine spezielle HR-Erfahrung quasi automatisch unterstellt. Daher gilt es bei der Zusammenstellung eines Aufsichtsrats kritisch zu hinterfragen, ob nicht doch eine Person mit diesem spezifischen Erfahrungshintergrund dem Aufsichtsrat angehören sollte. Insofern müssten auch die Aktionäre dieses Kriterium in ihre Fragen zu den Wahlvorschlägen für den Aufsichtsrat miteinbeziehen.
Trefferquote verbessern
Es gibt also gute Gründe, den Prozess der Suche und Auswahl qualifizierter Führungskräfte auf der Aufsichtsratsebene auf Vollständigkeit und Treff-genauigkeit regelmäßig zu überprüfen und erforderlichenfalls anzupassen. Die Einbeziehung unabhängiger Fach-leute kann diese Prozesse nachhaltig verbessern. Die Besetzung von Vorstandspositionen mit unterdurchschnittlichen oder gar nicht geeigneten Personen führt zu erheblichen Belastungen für das Unternehmen mit negativen Folgen für den Unternehmens-wert. Dabei geht es nicht nur um die unmittelbaren Folgen einer vorzeitigen Trennung und Neubesetzung, sondern auch um die häufig vielfach höheren Folgekosten. Aber auch der Imageschaden für das betroffene Vorstandsmit-glied und der Renommee-Verlust des Aufsichtsrats sind nicht unerheblich, einschließlich eventueller Haftungs-fragen auch für den Aufsichtsrat. Risikobewältigung und Risikokontrolle im Hinblick auf die Zusammensetzung und die Aktivitäten des Vorstands sind damit eine wesentliche Pflicht des Aufsichtsrats. Sie erfordern eine konsequente und disziplinierte Arbeit sowie eine adäquate zeitliche Befassung. Nur dadurch lässt sich letztlich auch die Trefferquote guter Vorstandsbesetzungen erhöhen.
Zur Person
Dr. Klaus Weigel ist seit 2006 Geschäftsführender Gesellschafter der WP Board & Finance GmbH, Bad Homburgv.d. Höhe. Er war zuvor 25 Jahre für verschiedene Banken im Corporate Finance- und Private-Equity-Geschäft in leitender Funktion und als Mitglied in Beiräten und Aufsichtsräten tätig. Die WP Board & Finance GmbH ist spezialisiert auf die Vermittlung qualifizierter Aufsichtsräte und Beiräte. Dr. Weigel ist ferner Mitgründer und Vorstandsmitglied des Verbands Aufsichtsräte Mittelstand in Deutschland e.V. (ArMiD).
klaus.weigel@board-finance.de
Erschienen in: Unternehmeredition „Personal 2014“